1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Schwarzer Montag an den Börsen

Aktienmärkte Schwarzer Montag an den Börsen

Panikverkäufe am Aktienmarkt / Ölpreis stürzt um 30 Prozent ab

Von Jürgen Krämer 09.03.2020, 23:01

Frankfurt/Main (dpa) l  Schwarzer Montag am deutschen Aktienmarkt: Panikartig sind die Anleger wegen wachsender Rezessionssorgen und der zusätzlichen Gefahr eines Ölpreiskrieges in sicherere Häfen geflüchtet.

In wenigen Minuten raste der Dax am Morgen fast 1000 Punkte abwärts. Am Ölmarkt waren am Morgen die Preise zeitweise um rund 30 Prozent eingebrochen und damit so stark wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Zum US-Börsenstart am Nachmittag fiel der deutsche Leitindex kurzzeitig unter die Marke von 10 600 Punkten und stand zuletzt dann mit 8,31 Prozent auf 10 582,77 Punkte im Minus. „Der heutige Handelstag dürfte in die Geschichtsbücher eingehen“, konstatierte ein Marktbeobachter.

Was ist der Grund für den Ölpreis-Crash?

Hintergrund ist ein Streit zwischen Saudi-Arabien und Russland über die künftige Fördermenge, der weiter zu eskalieren droht. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf namentlich nicht genannte Insider berichtet, könnte Saudi-Arabien die Fördermenge in den kommenden Monaten sogar erhöhen. Dem Ölmarkt droht damit im zweiten Quartal ein großes Überangebot, zumal die weltweite Nachfrage wegen Viruskrise noch für einige Zeit stark beeinträchtigt bleiben dürfte.

Warum war Moskau gegen eine Förderkürzung?

Nach Einschätzung von Experten dürfte Russlands Regierung mit der Maßnahme auf die Konkurrenz in den USA zielen. Der Preissturz belaste die amerikanische Förderung durch die teure Fracking-Methode, sagte Julian Lee, Rohstoffexperte der Nachrichtenagentur Bloomberg. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in Gesteinsschichten gepresst, um Öl zu gewinnen. Analysten der Dekabank verwiesen auf die Sorgen um die hoch verschuldeten US-Fracking-Firmen. Dies habe dazu beigetragen, dass die Märkte zu Wochenbeginn in Panik geraten seien.

Warum trifft es die Ölpreise so hart?

Rohöl hat gestern etwa ein Drittel an Wert verloren. Neben der Viruskrise gilt aber vor allem die Sorge vor einem neuer Preiskrieg führender Ölstaaten als Ursache für den rasanten Absturz. Am vergangenen Freitag ließ Russland Verhandlungen über eine neue Förderkürzung zur Preisstabilisierung mit den Opec-Staaten platzen. Selbst eine Verlängerung der bestehenden Förderbeschränkung war damit vom Tisch.

Können Autofahrer nun auf billigeres Benzin hoffen?

An den Tankstellen könnten Benzin und Diesel durchaus sinken – auch wenn der größte Teil des Spritpreises auf die Energie- und Mehrwertsteuer entfällt. Der Mineralölwirtschaftsverband wollte zwar keine Prognose abgeben, verwies jedoch auf frühere Entwicklungen.

Was hat die jüngste Panik an Finanzmärkte ausgelöst?

Schon seit Wochen sorgte die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus und die Sorge vor den Folgen für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft immer wieder für Kursverluste an den Börsen. Zuletzt hat sich die nervöse Stimmung allerdings spürbar verstärkt. In wichtigen Industriestaaten wie Südkorea und Italien hat sich die Viruskrise zugespitzt. Vor allem die Absperrung ganzer Regionen im wirtschaftlich starken Norden Italiens mit der Millionenmetropole Mailand verschreckte Anleger. Für viele Investoren kam der rasante Absturz an den Finanzmärkten völlig überraschend und nicht wenige stellen sich wie der Analyst Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank die Frage: „Was, wenn das, was wir gerade sehen, der Anfang vom große Beben ist?“

 

Wohin flüchten die Anleger?

Geflüchtet wird in alle Anlagen, die als halbwegs sicher gelten. Vor allem Staatsanleihen sind stark gefragt. Dabei wird in Kauf genommen, dass sichere Staatspapiere keine Renditen mehr abwerfen. Die als besonders sicher geschätzten Bundesanleihen werden sogar mit negativen Renditen gehandelt. Das heißt: Die Nachfrage nach deutschen Staatstiteln ist so stark, dass sogar eine Art Gebühr in Kauf genommen wird, wenn Anleger der Bundesrepublik Geld leihen. Ähnlich stark gefragt sind auch Staatspapiere aus der Schweiz und aus Japan, wobei auch die Währungen der beiden Ländern als sicherer Anlagehafen geschätzt werden.

Wer gehört noch zu den Profiteuren?

Der Goldpreis. Der hat seit Ende Februar einen deutlichen Schub nach oben erhalten und stieg bis an die Marke von 1700 US-Dollar je Feinunze (etwa 31,1 Gramm). Allerdings kam es in den vergangenen Handelstagen auch mehrmals zu plötzlichen Rückschlägen, die am Markt mit Zwangsverkäufen erklärt wurden. Viele Investoren mussten Gold verkaufen, um so frisches Geld für den Ausgleich von Verlusten an anderer Stelle zu kommen.

Droht jetzt eine neue Rezession in Deutschland?

Die Coronavirus-Krise kam für die deutsche Wirtschaft zur Unzeit. Kaum zeigten sich in der zuletzt angeschlagenen deutschen Industrie Anzeichen einer Erholung, wird die konjunkturelle Entwicklung erneut ausgebremst. Mittlerweile wollen Ökonomen eine leichte Rezession in der ersten Jahreshälfte nicht mehr ausschließen. Allerdings wirkt der jüngste rasante Verfall der Ölpreise auch als eine Art Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft. Meinung