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Arbeitsmarkt Sachsen-Anhalt Mittelmaß bei Digitalisierung

In Sachsen-Anhalt sind 15 Prozent der Arbeitnehmer von Digitalisierung betroffen. Gewerkschaften befürchten, dass Arbeitsplätze wegfallen.

12.12.2017, 05:52

Halle/Dresden (dpa) l Die Digitalisierung wird die Anforderungen an den Job nach Ansicht von Experten fundamental verändern. "Berufs- und Studieninhalte werden sich verändern. Digitalisierung heißt aber auch, berufliches Wissen veraltet immer schneller", sagt der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit Kay Senius. Lebenslanges Lernen und Flexibilität würden daher umso wichtiger.

In Sachsen-Anhalt sind den Angaben zufolge derzeit 15 Prozent der rund 763.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von der Digitalisierung betroffen. Das ist etwa jeder Sechste oder insgesamt 112.000 Beschäftigte. "Das bedeutet, sie üben Tätigkeiten aus, die jetzt schon durch Computer, Maschinen und Automaten teilweise oder ganz ersetzt wurden oder werden könnten", sagt Senius. Dazu gehören Arbeiten in der Produktion und Logistik, wie eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarktforschung (IAB/Nürnberg) ergab. Bundesweit liege der Anteil bei 15 Prozent.

"Die Herausforderung an den Arbeitsmarkt wird sein, dass wir diesen Prozess der individuellen Betroffenheit von der Digitalisierung begleiten", sagt Senius. "Dazu brauchen wir in Deutschland eine Einrichtung, die einen Arbeitnehmer sein ganzes Berufsleben lang dazu berät, was seine Kompetenz aktuell wert ist und wo man nachjustitieren muss", fordert der Arbeitsmarktexperte.

Infografik: Digitalisierung kostet Arbeitsplätze | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Nach dem aktuellen Gesundheitsreport des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) fürchten viele Arbeitnehmer in Deutschland indes eine Vernichtung von Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung. Mit 38 Prozent ist demnach dieser Anteil mehr als doppelt so hoch wie der der Beschäftigten, welche laut der BKK-Untersuchung die Digitalisierung eher als Jobmotor sehen.

"Es werden viel, viel mehr Arbeitsplätze wegfallen als neue entstehen", sagt Gewerkschaftssekretär Enrico Zemke von verdi (Leipzig). Bereits jetzt gebe es keinen einzigen Bereich, "wo nicht Software und Robotik Tätigkeiten zumindest teilweise ersetzen". Die Digitalisierung lasse sich nicht aufhalten, der Prozess verlaufe nicht linear. "Es wird immer schneller", sagt Zemke. Deshalb komme es darauf an, wie dieser Prozess für den Einzelnen gestaltet wird.

Hintergrund ist, dass vor allem in den neuen Ländern die Wirtschaft überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt ist. Im Gegensatz zu Konzernen, wo Veränderungsprozesse strategisch vorbereitet werden können, fehlt es ostdeutschen Unternehmen dafür an Kapazitäten.

Der Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom ifo-Institut in Dresden sieht mehr Chancen als Risiken durch die Digitalisierung. "Es werden Arbeitsplätze wegfallen, die ansonsten aus demografischen Gründen ohnehin nicht hätten wieder besetzt werden können", sagt er mit Blick auf die Überalterung der Gesellschaft. Zudem bestehen seiner Meinung nach allein in Teilen Ostdeutschlands gute Voraussetzungen dafür, die für die Digitalisierung notwendigen Techniken, zum Beispiel Computertechnologien, herzustellen. Dies eröffne jenseits von möglichen Arbeitsplatzverlusten neue Beschäftigungschancen.

Laut Arbeitsmarktexperte Senius sind vor allem gewerblich-technische Berufe von gravierenden Veränderungen betroffen, etwa Mechaniker, Konstrukteure und Technologen. Hingegen könnten Tätigkeiten in der Gesundheitsbranche und im Handwerk kaum durch IT komplett ersetzt werden, etwa Pfleger- und Friseurberufe. Langfristig habe jeder technologischer Umbruch mehr Arbeitsplätze gebracht als abgebaut. "Es fallen Berufe weg und es kommen neue Berufe hinzu. Ich glaube, das wird auch im Zeitalter der Arbeit 4.0 so sein", sagt Senius.

Gebraucht würden noch mehr gut ausgebildete Mitarbeiter sowie flexible Regelungen bei der Beschäftigung. Dafür sei auch der Gesetzgeber gefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Nötig sei eine permanente Qualifizierung, damit Menschen Perspektiven haben. Senius: "Denn die Digitalisierung beeinflusst nicht nur die Arbeit, die Digitalisierung beeinflusst die gesamte Gesellschaft."