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Autoindustrie Ifa sucht weiter nach Partner

Sachsen-Anhalts größter Automobilzulieferer Ifa in Haldensleben kämpft mit Schwierigkeiten und sucht Wege aus der Krise.

Von Massimo Rogacki 07.12.2018, 09:29

Haldensleben l Die zweite Belegschaftsversammlung in vier Wochen: Für einige Ifa-Beschäftigte in Haldensleben war dieser Termin in der vergangenen Woche ein Grund, sich den Kopf zu zermartern. Gibt es Neuigkeiten zu einem möglichen Verkauf des Unternehmens? Vor allem: Könnte das Auswirkungen auf den Job haben? Fragen, die nicht wenigen seit Wochen im Kopf herumschwirren.
Im Juni erst war von der Nachrichtenagentur Reuters die Meldung von einem möglichen Verkauf des Gelenkwellen-Herstellers verbreitet worden. Ein chinesischer Investor, so hieß es, sei interessiert. Die Meldung nahm auf den Gängen und in den Werkhallen an Fahrt auf. Und die Geschäftsführung? Äußerte sich erst zwei Tage später, um das vermeintliche Gerücht zu entkräften. „Das war ein Fehler“, findet Geschäftsführer Robert Gutsche im Rückblick und spart nicht an Selbstkritik.
Man wolle deshalb zukünftig verstärkt auf Transparenz gegenüber den Mitarbeitern setzen („Damit sich keine Gerüchte mehr verselbständigen“). Da sei die häufiger stattfindende Belegschaftsversammlung nur ein Instrument zur Kommunikation. Einmal im Monat erfahren die Ifa-Mitarbeiter von ihrem Chef nun auch in Form eines Newsletters alles Wissenswerte über den aktuellen Stand des Unternehmens oder zu Branchenentwicklungen.
Ähnlich bei der jüngsten Belegschaftsversammlung. Die hielt am Ende glücklicherweise keine Hiobsbotschaften für die Beschäftigten bereit. Ifa sei ein „profitables Unternehmen mit vollen Auftragsbüchern“, so Gutsche. Von Entspannung kann beim Automobilzulieferer trotzdem keine Rede sein. Die Ifa-Group sucht nach wie vor einen strategischen Partner. Denkbar auch: Eine Minderheitsbeteiligung oder eine Übernahme.
Die Strategie im Augenblick lautet: Konsolidierung. „Was wir haben, versuchen wir gegenwärtig auf stabile Beine zu stellen“, sagt der Ifa-Chef. Dass die Geschäftzahlen im Moment ausbaufähig sind, hat mehrere Gründe – die Gutsche auch bei der Belegschaftsversammlung aufzuschlüsseln versuchte. Zum einen: Die Automobilindustrie durchlebt unruhige Zeiten. Diesel-Skandal, Fahrverbote, verändertes Konsumentenverhalten. Bei den Herstellern schlagen die internationalen Handelskonflikte längst auf das Geschäft durch.
Aktuell steht im Streit zwischen den USA und China viel auf dem Spiel. Um ein Drittel ist etwa der Export von Autos deutscher Konzerne aus US-Werken nach China in den ersten zehn Monaten dieses Jahres eingebrochen. Der globale Automarkt stagniert. Das Problem: Weltweit ist die Vernetzung in der Branche so groß, dass die Entwicklung auch nicht spurlos an den Zulieferern vorübergehe, so Gutsche.
Den Streit der USA mit China kann das Haldensleber Unternehmen sogar quasi aus der Nähe mitverfolgen. Ifa hatte erst im März dieses Jahres ein 60 Millionen Euro teures Werk in Charleston (Bundesstaat South Carolina) für Gelenkwellen und Gleichlaufgelenke in Betrieb genommen.
Im vergangenen Jahr waren Überlegungen publik geworden, die weltweite Expansion mit einem Werk in Mexiko voranzutreiben. Auch dort sollten Gelenkwellen produziert werden. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. „Wir wollten uns nicht noch mehr Komplexität ins Geschäft holen“, sagt Gutsche, und spielt damit indirekt auf die Anlaufschwierigkeiten beim Werk im polnischen Ujest an. Hier hatte Ifa im Juni 2017 rund 100 Millionen Euro in einen neuen Standort investiert. Produziert werden dort Seitenwellen. „Der Einstieg in die Elektromobilität“, verkündete Gutsche damals gutgelaunt. Seit jenen Tagen ist die Euphorie etwas abgeklungen. Wo der Ifa-Chef beim zweiten Faktor angelangt wäre, der Einfluss auf die aktuell verhaltenen Zahlen hat.
Die Seitenwellen, wie sie in Fahrzeugen mit Elektroantrieb verbaut werden, seien „ein hochkomplexes Produkt“. Die Herausforderung in Ujest: Obwohl ein großer Teil der Expertise noch vom Stammsitz kommt, müssen die in Polen eingestellten 450 Mitarbeiter Fertigungsmethoden und sonstige Prozesse erst noch verinnerlichen. „Das braucht Zeit“, sagt Robert Gutsche. Zu dem Werk und der Entscheidung, mit der Produktion das Thema Elektromobilität voranzutreiben, steht er. Auch, um zukünftig „die Balance zu halten“. Sollte das Kerngeschäft mit den Längswellen einmal schrumpfen, könnte Ifa reagieren und vermehrt auf Seitenwellen setzen, so die Strategie.
Im Wandel ist unterdessen auch die Zusammensetzung an den operativen Hebeln des Autozulieferers. Davon war in der Belegschaftsversammlung freilich weniger die Rede. In den vergangenen Monaten wurden einige langgediente Führungskräfte ersetzt.  Die Positionen wurden neu besetzt. Die „Interimsmanager“, als die sie Ifa-Chef Gutsche selbst bezeichnet, seien geholt worden, um das Geschäft „zu stabilisieren und nach vorn zu entwickeln“. Gleichwohl bestehe die Möglichkeit, dass sich die Führungskräfte auf Zeit als dauerhafte Lösungen entpuppen.
Fest steht: Die Zeiten in der Branche sind unruhig. Die Mitarbeiter verfolgen mit Argusaugen, wie es in Haldensleben weitergeht. „Bei den meisten überwiegt der Optimismus, dass wir gut aufgestellt sind“, sagt Betriebsrat Henning Raguschke. Einige Umstrukturierungen mussten laut Robert Gutsche hingegen in den vergangenen Monaten vorgenommen werden. Fixe Kosten mussten reduziert werden. So wurde etwa die Zahl der Leiharbeiter oder jener mit befristeten Verträgen reduziert.
Wie geht es weiter? Robert Gutsche kann sich vorstellen, dass sich der Markt der Zulieferer verstärkt konzentriert. „Im Moment gibt es zu viele Player“, sagt er. Um zu bestehen, bedürfe es in Zukunft eines reifen Partners. Wie dessen Name lauten wird, ist im Augenblick vage.