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AzubisBrandenburg statt Barcelona

Von südlichen Gefilden in den Brandenburger Norden: Für einen Job nehmen junge Spanier Vieles in Kauf.

10.08.2015, 23:01

Wittenberge (dpa) l Gegen Heimweh hilft am besten ein leckeres Essen wie zu Hause. Der aus Spanien stammende 33-jährige Kochlehrling Dario Saviotti bereitet in seiner kleinen Wohnung im brandenburgischen Wittenberge Tortilla zu. Seine ungarische Kollegin Szilvia Szegedi tröstet sich mit einem deftigen Pörkölt – einem Gulasch. Auch ein Treffen mit Freunden kann Trübsal wegwischen, wenn die Sehnsucht nach der Heimat zu groß wird.

Beide Kochlehrlinge suchten Ausbildung, Arbeit und eine berufliche Zukunft: Die brandenburgische Prignitz kann sie gut brauchen, während in ihren Heimatländern die Chancen auf einen Job eher schlecht stehen. „Gezielt werben wir in Spanien um Azubis. Auch aus Ungarn und Kroatien melden sich Bewerber“, sagt Sina Richardt von der Industrie und Handelskammer Potsdam, die das Projekt betreut. Der Grund ist simpel: Abseits der Hauptstadtregion finden Unternehmen trotz großer Anstrengungen kaum Bewerber.

Vor einem ähnlichen Dilemma stehen Mittelständler auch in Sachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Nachwuchs vor der eigenen Haustür: Fehlanzeige. Südeuropa hingegen klagt über die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Das Bundesprogramm „MobiPro“ unterstützt die Vermittlung.

955 ausländische Lehrlinge sind bereits in Sachsen: Jeder achte kommt aus Spanien. Thüringen will junge Griechen holen – sie sollen vor allem in der Pflege arbeiten. In Sachsen-Anhalt wollen mehr als 2400 Jugendliche aus EU-Ländern eine Lehre beginnen: vor allem in der Gastronomie. In Brandenburg waren 2014 von den etwa 26 200 Lehrlingen knapp 500 Ausländer. Neu kommen in diesem Jahr etwa 260 hinzu.

Lars Meiswinkel, Inhaber der Wittenberger Cateringfirma Lucullus, freut sich über seine „bunte Truppe“. „Sie sind fachlich gut. Wir brauchen händeringend Nachwuchs“, sagt er. Die Gastronomie sei vermutlich zu unattraktiv für junge Leute aus der Region.

Durch das Brandenburger IHK-Projekt kamen vor gut einem Jahr knapp 30 Spanier nach Brandenburg. Zu ihrem Lehrlingsgeld wird noch ein Taschengeld von etwa 250 Euro beigesteuert. Die Firmen helfen meist bei der Wohnungssuche und Ausstattung.

Auch wenn es allerhand Informationen über Brandenburg im Internet gibt: Im Alltag ist manches anders. Dario wusste zumindest: „Hier ist das Wetter kompliziert.“

Gut die Hälfte der im Vorjahr angereisten Spanier blieb. Manche hatten zu großes Heimweh, andere stellten sich den Beruf anders vor. „Koch war nichts für mich“, sagt beispielsweise der aus Barcelona stammende 27 Jahre alte Xavier Alegre. Er hat nun das erste Lehrjahr als Fachkraft für Schutz und Sicherheit beendet. Zwei Jahre stehen noch vor ihm.

Über die Potsdamer Handwerkskammer konnten sich in einem Praktikum gerade 25 Spanier und mögliche Arbeitgeber beschnuppern. Peter Janeck, Geschäftsführer Elektro- und Metallbau Brandenburg/Havel, lernte zwei Kandidaten für den Beruf des Mechatronikers kennen. „Ich denke, wir werden die Lehrverträge unterschreiben“, sagt er.

Es zeigt sich aber, welche Hürde auf jeden Fall zu nehmen ist: schnell Deutsch zu lernen. Bei Dario hapert es noch, bedauert sein Chef Meiswinkel. In der Küche ist der Spanier dagegen in seinem Element: Gemüse schnibbeln, Fleisch oder Fisch portionieren, Soßen zubereiten, Essen ausgeben, aber auch Töpfe schrubben. In der Berufsschule muss er aber auch dem theoretischen Unterricht folgen.

Die zierliche Ungarin Szilvia schaut meist deutsches Fernsehen, um sich besser verständlich zu machen. Ob sie in der Prignitz bleibt, weiß die junge Frau noch nicht. Ihr Landsmann Tamas Bota, erstes Lehrjahr Restaurantfachkraft, hat feste Pläne: Er sieht sich irgendwo in der Welt als Barmixer hinter dem Tresen. Dario ist noch unentschieden – wegen des kleinen Sohnes in der Heimat. Aber er hat auch einen persönlichen „Fünf-Jahres-Plan“ und hofft auf eine neue Liebe, wie er sagt. In Wittenberge kommt schon öfter sein deutsches Lieblingsgericht auf seinen Tisch: Kartoffelsalat.