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Dax Das bedeutet der Commerzbank-Abstieg

Regionalchefin Jenny Friese erklärt im Volksstimme-Interview, was schieflief - und was das für die Kunden in Sachsen-Anhalt bedeutet.

Von Alexander Walter 29.09.2018, 01:01

Volksstimme: Frau Friese, die Commerzbank ist gerade aus dem Dax geflogen. Was läuft da schief?
Jenny Friese: Natürlich ärgert uns das. Für unsere Kunden ändert das aber nichts. Wir sind ja nicht aus dem Dax gefallen, weil unsere Leistungen schlechter geworden wären. Ob ein Unternehmen im Dax gelistet wird, entscheiden technische Kriterien. Ausschlaggebend sind der Umsatz im Wertpapierhandel und der Gesamtwert der Aktien, die sich im Streubesitz befinden. Und aufgrund unserer großen Ankeraktionäre haben uns andere Unternehmen da überholt.

Wie konnte das passieren?
Das hat auch damit zu tun, dass der Kapitalmarkt Technologieunternehmen deutlich besser bewertet. Natürlich ist unser Ziel, dass Investoren auch uns wieder höher bewerten. Das geht nur durch Erfolg. Bis 2020 wollen wir netto zwei Millionen Neukunden gewinnen und die Digitalisierung enorm vorantreiben. Gelingt das, und davon sind wir überzeugt, wird das Haus profitabler und so auch für Investoren wieder attraktiver. Ich bin sicher, dann schaffen wir es auch wieder in den Dax.

Die Commerzbank brachte es zuletzt auf einen Börsenwert von 10 Milliarden Euro, die Deutsche Bank gerade auf das Doppelte. International ist das eher mager. Der US-Riese JPMorgan Chase etwa liegt bei 335 Milliarden Euro. Verlieren die deutschen Banken den Anschluss?
Wir haben in Deutschland einen sehr hohen Wettbewerbsdruck. Es gibt Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken und andere Institute. Der Kampf um den Kunden ist extrem präsent. Hinzu kommen hohe regulatorische Auflagen. Die Margen sind entsprechend geringer als etwa in den USA. Hier wäre der Auftrag an die Politik, Regulierung wieder stärker so zu gestalten, dass sie Geschäfte fördert und nicht verhindert.

Seit Wochen hält sich das Gerücht einer Fusion der Commerzbank mit der Deutschen Bank. Wird sie kommen?
Wir kennen bei der Commerzbank kein Jahr ohne Gerüchte. Daran beteilige ich mich aber nicht. Wir arbeiten lieber an der erfolgreichen Umsetzung unserer Strategie.

Zuletzt hat auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Fusion unterstützt. Begründung: Die wachsende deutsche Wirtschaft brauche entsprechend große, global ausgerichtete Institute an ihrer Seite ...
Ich werde Herrn Scholz nicht widersprechen, mit unserer täglichen Arbeit hat das aber nichts zu tun. So wickelt die Commerzbank derzeit zum Beispiel schon rund 30 Prozent des deutschen Außenhandels ab.

Als eines ihrer neuen Kernthemen hat die Commerzbank die Digitalisierung entdeckt. Die Bank soll bis 2020 moderner und efffizienter werden. Kommt die Einsicht nicht zu spät? Kritiker meinen, die deutschen Banken hätten die Digitalisierung um zehn Jahre verschlafen.
Die Finanzkrise 2008 hat eine Eruption ausgelöst. Danach war für uns Kernaufgabe, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Die Digitalisierung hat das Verhalten der Kunden dabei nachhaltig verändert. Im Vergleich zu anderen Banken sind wir da sehr weit vorn. So sind in unserem Campus in Frankfurt 1000 Mitarbeiter damit beschäftigt, zeitgemäße digitale Angebote für unsere Kunden zu entwickeln.

Viele der neuen Angebote überfordern Kunden, meinen Kritiker. Gleichzeitig sei die Datentechnik des Bankhauses veraltet ...
Das kann ich nicht nachvollziehen und das lässt sich mit Zahlen belegen. Als bundesweit erste Bank haben wir etwa einen digitalen Ratenkredit eingeführt. Damit sind wir in der Lage innerhalb von zehn Minuten eine Kreditzusage zu geben. 100.000 Abschlüsse geben uns recht. Wir haben die am besten bewertete Banking-App mit bereits mehr als eine Million Nutzern. Mit Produkten wie diesen folgen wir übrigens den Bedürfnissen der Kunden. 80 Prozent unserer Neukunden nutzen nur Online-Banking. 

2016 hat Ihre Bank angekündigt, binnen vier Jahren 80 Prozent der internen Abläufe zu digitalisieren. Bundesweit sollten 7300 Stellen entfallen. Was heißt das für das Filialnetz in Sachsen-Anhalt?
Richtig ist: Die Digitalisierung ersetzt bislang nötige Arbeitsschritte. Personal- oder gar Filialabbau ist in Sachsen-Anhalt aber kein Thema. Unsere landesweit 25 Filialen sind stabil. Ein Abbau wäre auch unklug, denn die durch Filialschließungen direkt beeinflussbaren Kosten machen nur sieben bis acht Prozent aus. Dafür aber würde die aus unserer Sicht immens wichtige Beratung vor Ort fehlen. 

Alles bleibt also, wie es ist?
Nicht ganz: Filialmodelle mit differenziertem Leistungsangebot ersetzen auf Sicht die bisherige Einheitsfiliale. Wir investieren in zwei grundsätzlich neue Modelle: Flagship-Filialen und City-Filialen. Während in Ersteren die ganze Palette des Beratungsangebots vorhanden sein wird – wie etwa in Magdeburg – decken letzte den Großteil der alltäglichen Dienstleistungen wie Überweisungen oder Kontoeröffnungen ab.

In der aktuellen Niedrigzinsphase suchen viele Menschen nach neuen Anlagemöglichkeiten. Können Sie Fonds und Aktien zehn Jahre nach der Lehman-Pleite wieder mit gutem Gewissen empfehlen?
Hier sind wir vor allem als Berater gefragt. Laut einer Umfrage unseres Hauses geben 46 Prozent der Befragten an, dass eine gute Beratung die Voraussetzung dafür ist, um sich überhaupt mit Wertpapieren zu befassen. 19 Milliarden Euro liegen allein in Ostdeutschland auf unverzinsten Girokonten unserer Bank. Wer sein Geld auf Sparbüchern parkt, lässt also sehr viel Gewinn einfach liegen. Dabei wäre eine Verbesserung schon mit sehr geringem Risiko und ab einem niedrigen monatlichen Beitrag mit Wertpapiersparplänen möglich.