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Die Analyse Leider kein klares Urteil zur Tarifeinheit

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tarifeinheit wird an der Streikfront vieles so bleiben, wie es ist.

11.07.2017, 23:01

Karlsruhe l Claus Weselsky ist zufrieden. „Die nächsten 150 Jahre sind bei uns gesichert“, betont der Chef der Lokführergewerkschaft GDL nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tarifeinheit. Und tatsächlich kann er auch relativ erleichtert sein – anders als so mancher Bahnreisender, der auch in den kommenden Jahren mit harten Arbeitskämpfen rechnen muss.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) grundsätzlich als verfassungskonform eingestuft. Demnach soll in Zukunft der Tarif gelten, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb ausgehandelt hat. Die Richter haben aber auch verfügt, dass Partikularinteressen wie die der Lokführer oder Piloten auch weiterhin gesondert berücksichtigt werden müssen. Andernfalls wird der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft nicht gültig.

Die Arbeitsgerichte sollen für die Wahrung der Partikularinteressen dann Sorge tragen, sie müssen auch im Zweifelsfall entscheiden, welche Gewerkschaft im Unternehmen tatsächlich die mit den meisten Mitgliedern ist.

Wie das alles in der Praxis funktionieren soll, ist höchst fraglich. In Sachsen-Anhalt sind die Gerichte mangels ausreichenden Personals ohnehin schon überlastet, Prozesse dauern Monate, wenn nicht gar Jahre.

Hinzu kommt, dass Gerichte keineswegs einheitlich urteilen. Sollte es zwischen den einzelnen Gewerkschaften künftig zu Streitereien kommen, könnten ganze Prozess-Lawinen ausgelöst werden. Die Folge: Jahrelange Rechtsunsicherheit sowohl für betroffene Unternehmen als auch für die Beschäftigten.

Insofern wäre eine eindeutigere Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Tarifeinheit wünschenswerter gewesen. Klar ist aber auch: Das letzte Wort zum Gesetz ist noch nicht gesprochen. Im Raum steht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Es könnte also noch recht lange dauern, bis das erbitterte Tauziehen um die Tarifeinheit endgültig beendet sein wird.