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Die Analyse Raue Sitten schaden allen Beteiligten

Arbeitskämpfe werden in Deutschland immer erbitterter ausgetragen - Gewinner gibt es selten.

07.10.2016, 23:01

Piloten, Kabinenpersonal, Lokführer, Zugbegleiter – sie alle haben sich in den vergangenen Jahren erbitterte Arbeitskämpfe mit ihren Arbeitgebern geliefert. Insbesondere in den Branchen, in denen besonders scharfer Wettbewerb vorherrscht, sind die Sitten im Streit- und Streikfall deutlich rauer geworden.

Der verdeckte Arbeitskampf bei Tui-Konzerntochter Tuifly stellt eine neue Stufe der Eskalation dar. Erstmals haben sich die Arbeitnehmer dort ganz offensichtlich nicht mehr für gewöhnliche Formen des Protests entschieden, sondern haben kollektiv krankgemacht.

So etwas hat es viele Jahrzehnte in Deutschland nicht mehr gegeben. 1973 wollten die damals noch verbeamteten Fluglotsen durch verabredetes langsames Arbeiten und haufenweise Krankmeldungen Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter erzwingen – weil sie als Beamte nicht das Recht zum Streik hatten.

Das Bundesverwaltungsgericht erklärte ein solches Verhalten 1977 für rechtswidrig (I DB 12.77). Und auch der Bundesgerichtshof hielt 1979 die streikähnliche Aktion der Fluglotsen für sittenwidrig (VI ZR 32/77).

Nicht ohne Grund. Denn eskalierende Arbeitskämpfe schaden am Ende allen. Die Deutsche Bahn hat nach mehreren Dauerstreiks zuletzt viele Kunden an Fernbus-Gesellschaften verloren. Die Deutsche Lufthansa befindet sich seit Jahren in der Krise, gibt Marktanteile an Wettbewerber ab. Und bei Tui häuft sich jetzt ein Image-Schaden an, mit dem sicher noch Kosten in Millionenhöhe verbunden sein werden.

In allen Fällen müssen sich sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihrer Verantwortung für das große Ganze nicht gerecht geworden sind. Konzernchefs, die glauben, mit ihren Mitarbeitern alles machen zu können, was sie wollen, werden am Ende keine erfolgreiche Bilanz vorweisen können. Arbeitnehmer, die zu keinerlei Zugeständnissen bereit sind, müssen sich nicht wundern, wenn sie am Ende ihre Jobs verlieren.

Wenn alle Beteiligten weiter gegen Sitten und Regeln verstoßen, wird die Politik früher oder später dazu gewungen sein, ordnend einzugreifen.