Diesel-Gate Die Volkswagen-Masche

In Sachsen-Anhalt werden in den nächsten Wochen rund 200 VW-Verfahren verhandelt.

04.04.2018, 23:01

Magdeburg l Das monatelange Warten ein Ende. Am Landgericht Magdeburg werden am Mittwoch fünf Klagen von Diesel-Käufern gegen VW verhandelt. Mehr als 90 Verfahren sind dort zuletzt aufgelaufen, die nun abgearbeitet werden. In Halle sind es mindestens 40, in Dessau etwa 50, dazu kommen noch weitere Fälle in Stendal. Bundesweit fordern Tausende Autobesitzer, die einen manipulierten Diesel der VW-Gruppe fahren, eine Entschädigung für den Betrug.

Nicht wenige Klagen gegen Hersteller oder Händler weisen die Landgerichte ab. Es kommt auf die Begründung an: Im Kern geht es häufig um die Frage, ob die Softwarenachrüstungen für den Kunden zumutbar sind oder nicht. Das beurteilen die Richter bundesweit höchst unterschiedlich. Viele Verfahren landen deshalb in zweiter Instanz oft bei den Oberlandesgerichten.

Doch erstaunlich ist: Während es Hunderte Urteile in erster Instanz gibt, fallen an den Oberlandesgerichten nur ganz wenige. Laut Kläger-Anwälten verfolgt VW eine radikale Strategie. Sobald Richter eines Oberlandesgerichtes zu erkennen geben, dass der Käufer eines Dieselfahrzeugs gute Chancen auf eine Rückabwicklung seines Vertrages hat, bieten die VW-Anwälte im letzten Moment einen Vergleich an, sagt ein Rechtsanwalt einer bekannten Kanzlei, die mit vielen VW-Fällen zu tun hat. Wichtigste Bedingung: Es wird Stillschweigen vereinbart, der Kunde darf die Konditionen nicht offenlegen. Oft soll VW dabei den Betrag anbieten, der eingeklagt wurde.

Mehrere Oberlandesgerichte bestätigen den Anstieg von Vergleichen, sobald die Termine näherrücken. Zuletzt gab es Fälle in Hamm und Köln. Auf Anfrage der Volksstimme äußert sich der Wolfsburger Konzern nicht zu diesem Vorgehen. Für „kundenseitige Klagen“ gebe es aus Sicht von VW keine Rechtsgrundlage, erklärte ein Sprecher. Die Kunden hätten „keine Verluste oder Schäden erlitten“. Die Autos „können uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt und auch weiterhin verkauft werden“, sagte der VW-Sprecher. Für den Konzern steht zudem fest, dass die bisherigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte „die klare Tendenz erkennen lassen, dass den Kunden die Durchführung der technischen Maßnahme zumutbar ist und sie sich nicht von ihren Kaufverträgen lösen können“.

Doch Oberlandesgerichtsentscheidungen gibt es bisher kaum mehr als zwei Hände voll. Und der Frage, mit wie vielen Klägern ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen wurde, weicht VW aus. Auch die angefragten regionalen Autohändler – von Magdeburg bis Wernigerode – beantworteten dazu keine Fragen der Volksstimme. Juristen vermuten, dass VW und Händler vermeiden wollen, zeitnah eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) herbeizuführen. Dort würde ein Verfahren landen, wenn die Kläger nach dem Oberlandesgericht in Revision gehen.

Hat der BGH erst einmal eine Grundsatzentscheidung gefällt, orientieren sich die anderen Gerichte an dieser Rechtsprechung.

Bis das nicht so ist, kann VW den Schaden mit vielen Verfahren begrenzen. Nicht jeder Kläger macht nach dem Landgericht weiter. Volkswagen pokert.

In Sachsen-Anhalt könnte das Oberlandesgericht in Naumburg demnächst auch vermehrt mit VW-Klagen zu tun haben. Bei einer der ersten Entscheidungen – eine Krankenschwester aus dem Altmarkkreis Salzwedel gewann Anfang März in Stendal gegen den VW-Konzern und erstritt 17.000 Euro Schadenersatz – ist der Ausgang offen. Die Frist für die Einlegung von Rechtsmitteln läuft erst am 16. April ab.