Endlager Wohin mit dem Atommüll?

Nach dem Abschlussbericht der Endlagerkommission kommen auch Standorte in Sachsen-Anhalt infrage.

05.07.2016, 23:01

Magdeburg/Berlin l Bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager werden auch Standorte in Sachsen-Anhalt in Betracht gezogen. Davon geht das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie in aus. „Sachsen-Anhalt hat größere Flächen, in denen die drei Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin vorkommen, so dass für alle Wirtsgesteine potenziell damit zu rechnen ist, dass die Suche auch auf Gebieten in Sachsen-Anhalt beginnen wird“, teilte das Ministerium auf Volksstimme-Anfrage mit.

Der Salzstock in Waddekath im Altmarkkreis Salzwedel ist von Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bereits 1995 als mögliches Endlager erwähnt worden. Die Autoren beschrieben den einen Kilometer tiefen Salzstock als „untersuchungswürdig“. Größere Tonsteinvorkommen gibt es in der Altmark, in den Gebieten um Salzwedel, Seehausen, Osterburg und Schönhausen. Kristallinkomplexe kommen im Landkreis Wittenberg bei Pretzsch und Prettin sowie im Harz vor.

Bei der nun bundesweit neu beginnenden Suche nach einem Endlager werde sich zeigen, ob „auch bei Anwendung der neuen, sehr strengen Suchkriterien Gebiete in Sachsen-Anhalt gefunden werden, welche für die Errichtung eines Endlagers möglicherweise in Betracht zu ziehen sind“, so das Ministerium weiter.

Infografik: Atommüll in Deutschland | Statista
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Ministerin Claudia Dalbert (Grüne), Mitglied der Endlagerkommission, hatte am Dienstag in Berlin zusammen mit ihren Kollegen den Abschlussbericht vorgelegt. Dalbert sagte: „Die Endlagersuche wird unter transparenter Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger gestaltet. Über die Köpfe betroffener Menschen hinweg werden keine Entscheidungen mehr möglich sein.“

Die Kommission sprach sich dafür aus, die abgebrannten Brennelemente unterirdisch zu lagern. Sie legte auch fest, dass der Atommüll nur in einem Bergwerk versenkt werden darf, aus dem man ihn notfalls wieder herausholen kann – falls eines Tages doch unerwartete Sicherheitsrisiken auftauchen sollten. „Wir haben aus der Asse gelernt“, sagte die Co-Vorsitzende der Kommission, Ursula Heinen-Esser. In dem ehemaligen Salzbergwerk Asse lagern schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Die Kammern und Stollen sind nicht so stabil wie erhofft. Grundwasser konnte eindringen.

Deutschland hat noch kein Endlager für die gefährlichen Hinterlassenschaften der Atom- industrie. Die Kommission hatte in der vergangenen Woche nach zweijährigen Beratungen Kriterien für die Suche nach einem sicheren Standort festgelegt. Auch der seit Jahrzehnten erkundete Salzstock in Gorleben kommt weiter als mögliches Endlager infrage. Entscheiden sollen letztlich Bundestag und Bundesrat. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) geht davon aus, dass die Einlagerung des Atommülls 2050 beginnen kann. Einige Experten glauben, dass diese Schätzung zu optimistisch ist.

Kritik am Abschlussbericht der Kommission äußerten Umweltverbände und Bürgerinitiativen der Anti-Atomkraft-Bewegung. Sie sind der Meinung, der Salzstock Gorleben hätte als Standort von vornherein ausscheiden sollen. In das Erkundungsbergwerk wurde schon viel Geld gesteckt – Kritiker befürchten deshalb, dass am Ende dann doch Gorleben als Endlager ausgesucht wird. Die Kommissionsmitglieder verneinten dies. Sie betonten, man halte an dem Prinzip der „weißen Landkarte“ fest. Das bedeutet: Vor Beginn der geologischen Untersuchungen ist kein Standort und keine Region tabu.

Landesregierungen in München und Dresden erhoben dennoch prompt Einspruch. „Die Gesteine in Bayern sind nicht für ein Endlager geeignet – das gilt für Granit, Ton und Salz“, sagte Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU). „Damit stoßen sie alle anderen vor den Kopf“, kritisierte der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne).

Der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) geht weiterhin davon aus, dass ein Endlager künftig nicht in Gorleben eingerichtet werden kann. Die Gegebenheiten in dem Salzstock entsprächen nicht den Sicherheitsanforderungen an ein Endlager, sagte Wenzel. Meinung