Energieeffizienz Stromschleuder Klärwerk

Magdeburger Forscher suchen in Aschersleber Anlage nach Einsparpotenzialen.

Von Simon Ribnitzky 17.06.2018, 23:01

Aschersleben (dpa) l Sie sind kaum bekannte Stromfresser: Kläranlagen verbrauchen rund ein Fünftel des Stroms in den Kommunen. Die Experten der Landesenergieagentur (Lena) sehen enorme Einsparmöglichkeiten. Ein Pilotprojekt in Aschersleben zeigte schon durch einfache Verbesserungen im Betriebsablauf ein Sparpotenzial von 17 Prozent, wie Lena-Geschäftsführer Marko Mühlstein berichtete. Mehr als 30 Prozent sind durch technische Umbauten möglich. Das Projekt führte die Lena gemeinsam mit dem Magdeburger Institut für Automation und Kommunikation (ifak) in der Aschersleber Kläranlage durch.

„Beim Stromsparen in den Kommunen denken alle sofort an die Straßenbeleuchtung“, sagte Mühlstein. In der Tat lasse sich durch die Umrüstung auf LED-Technik viel sparen. Bei Kläranlagen gehe es jedoch um viel größere Strommengen. In Sachsen-Anhalt gibt es rund 220 Kläranlagen, die überwiegend von den Kommunen betrieben werden. Etwa 1100 Millionen Kubikmeter Abwasser werden dort pro Jahr behandelt. Der Stromverbrauch der 132 größeren Anlagen liegt der Lena zufolge bei zusammen rund 182 Gigawattstunden. Eine Stadt wie Dessau-Roßlau könnte damit mehr als ein halbes Jahr lang mit Strom versorgt werden.

Um Einsparpotenziale zu ermitteln, führten die Experten im Rahmen des Pilotprojekts eine Simulation durch. Es sei ein digitaler Zwilling der Anlage in Aschersleben entstanden, bei dem sich die einzelnen Parameter und ihre Auswirkungen durchspielen ließen, berichtete Thomas Micka, der bei der Lena den Fachbereich Wirtschaft leitet. Hauptstromverbraucher seien Pumpen, Lüfter zur Sauerstoffzufuhr und Rührwerke. Schon kleine Veränderungen könnten große Wirkung zeigen: So senkt die Drehung eines Lüfters, der vorher direkt auf eine Beckenwand blies, den Stromverbrauch deutlich.

Noch mehr sparen lässt sich durch den Austausch von Pumpen und Antrieben. Viele Kläranlagen seien unmittelbar nach der Wende neu gebaut worden und inzwischen ziemlich in die Jahre gekommen, sagte Mühlstein. Eine Sanierung sei in vielen Fällen ohnehin an der Zeit. Die notwendigen Arbeiten ließen sich leicht mit Maßnahmen für mehr Energieeffizienz kombinieren. „Es geht darum, die neue Technik jetzt in die Anlagen zu bringen.“ Mit vielen Betreibern habe man bereits Möglichkeiten und Sparpotenziale erörtert. 18.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr könnten schon dann eingespart werden, wenn alle Anlagen in Sachsen-Anhalt bei der Energieeffizienz den bundesweiten Durchschnitt erreichten.

Für die Umsetzung setzt die Lena auch auf eine neue Förderung des Landes. Zwar gebe es für Abwasseranlagen bereits länger Unterstützung vom Umweltministerium, sagte Micka. Bislang gebe es Geld aber nur für die Verbesserung der Abwasserqualität in den Anlagen – nicht für mehr Energieeffizienz. Eine neue Förderrichtlinie soll das ändern. Nach Angaben des Umweltministeriums können Maßnahmen zum Stromsparen dann mit 50 Prozent bezuschusst werden. Die neue Richtlinie soll im Herbst fertig sein. Sie werde derzeit zwischen den Ministerien abgestimmt.

Das größte Potenzial bietet der Umbau ganzer Anlagen. „Mit den Klärschlämmen lässt sich durch Faulung Biogas erzeugen“, sagte Micka. Zusammen mit einem eigenen Blockheizkraftwerk ließen sich so Strom und Wärme für den Betrieb der Kläranlage erzeugen. In größeren Anlagen könnten freie Flächen zudem für Sonnenstrom mittels einer Photovoltaikanlage genutzt werden. Im besten Fall wird dann insgesamt sogar mehr Strom produziert, als die Anlage selbst verbraucht.