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Energiewende Aus Ökostrom wird Ökogas

Pilotprojekt in Sachsen-Anhalt: In Schopsdorf (Genthin) will Energieriese Avacon bis zu 20 Prozent Wasserstoff ins Erdgas einspeisen.

31.07.2019, 23:01

Magdeburg l Lange Zeit war Ökostrom die einzige Antwort auf die angestrebte Energiewende bis 2050. Sein Anteil am Gesamtverbrauch lag in der ersten Jahreshälfte 2019 bereits bei rund 44 Prozent, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) berechnet hat. Doch Ökogas? Ist der Shootingstar mit Star-Potenzial. Und das will auch der Energiekonzern Avacon entdecken. Ab September startet das Tochterunternehmen von E.on in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) dazu ein Pilotprojekt im Jerichower Land. Im Genthiner Ortsteil Schopsdorf sollen dem Erdgas im Verteilnetz erstmals bis zu 20 Prozent Wasserstoff beigemischt werden.

Für die Testphase von sechs Monaten kauft Avacon vorerst grauen, also keinen CO2-neutralen Wasserstoff ein. Erfüllt das Pilotprojekt die Erwartungen, soll daraus später grüner Wasserstoff werden. Warum? Weil bei der energetischen Nutzung von grünem Wasserstoff kein Kohlenstoffdioxid ausgestoßen wird. Wird dem Erdgas also ein deutlich höherer Prozentanteil an grünem Wasserstoff beigemischt als bisher, werden auch die Wärmenutzungen, zum Beispiel beim Kochen oder Heizen, kohlenstoffärmer. Zudem ist eine Nutzung von überschüssigem Solarstrom möglich. Je nach Wetter und Saison schwankt die Stromproduktion. Wasserstoff ist bestens dazu geeignet, erneuerbare Energien saisonal zu speichern. Doch woher kommt der grüne Wasserstoff? Aus Power-to-Gas-Anlagen. Durch die Elektrolyse, die chemische Zersetzung von Elektrolyten, wird Wasser durch Strom aus Windkraft- und Solaranlagen in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der grüne Wasserstoff kann direkt ins Gasverteilnetz eingespeist werden. Rund 62 Power-to-Gas-Projekte gibt es aktuell in Deutschland. Das Pilotprojekt in Schopsdorf ist Bestandteil der E.on-Initiative „Grünes Gas aus Grünem Strom“.

Bislang lag die Beimischgrenze von Wasserstoff ins Gasnetz bei unter zehn Prozent. Erst im April gab der DVGW bekannt, dass man das eigene Regelwerk umfassend weiterentwickeln wolle und eine zulässige Wasserstoff- einspeisung von bis zu 20 Prozent anpeile. Mit dem Projekt in Schopsdorf soll nun bewiesen werden, dass das auch technisch möglich ist.

Doch warum ausgerechnet in Schopsdorf? „Die Netzstruktur in Schopsdorf ist vergleichbar mit dem Großteil unseres Gasnetzes“, sagt Avacon-Sprecherin Corinna Hinkel. „Zudem handelt es sich um ein Inselnetz, das durch seine überschaubare Größe für das Pilotprojekt gut geeignet ist.“ Dazu werden die Endgeräte von insgesamt 400 Haushalten als Testobjekte herhalten. Die müssen ab Herbst aber erst einmal auf ihre Wasserstoffverträglichkeit hin geprüft werden. Dazu wird es Informationsveranstaltungen für die betroffenen Bürger geben. „Es liegen bereits umfangreiche Labortests vor, jedoch keine praktischen Anwendungen im Gasnetz“, sagte Hinkel. Es muss erst noch nachgewiesen werden, dass die vorhandenen Anlagen im Gasnetz, die zunehmend mehr Kunststoffteile enthalten, auch für den Dauerbetrieb geeignet sind. „Für den Endkunden und die heimische Heizanlage haben die 20 Prozent Wasserstoff keine technischen Auswirkungen, außer im veränderten Brennwert“, sagt Wasserstoff-Experte Thomas Jordan vom Karlsruher Institut für Technologie. „Daher sollte sichergestellt werden, dass die Preisgestaltung für das Gasgemisch fair erfolgt.“ Auf Nachfrage versicherte Hinkel, dass die Preise für die Endkunden während des Projekts „auf keinen Fall höher“ werden.

Grüner Wasserstoff gilt als klimafreundlicher Alleskönner. Der darf nur dann so bezeichnet werden, wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Er ist so etwas wie der neue Hoffnungsträger der Energiewende. Die soll bis 2050 erfolgen. Bis dahin will Deutschland keine Treibhausgase mehr ausstoßen. „Wasserstoff ist langfristig unverzichtbar für die saisonale Speicherung von erneuerbaren Energien“, sagt Jordan.