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Starke Frauen Erst Künstlerin, jetzt Firmenchefin

Die Volksstimme stellt starke Frauen vor, die als Selbstständige erfolgreich sind. Heute: Astrid Bredereck, Chefin von "Räubersachen".

02.01.2017, 23:01

Halle l Sorgsam faltet Astrid Bredereck Strampelhosen zusammen. Sie sind frisch gewaschen und sollen so schnell wie möglich wieder für Eltern im Online-Shop „Räubersachen“ angeboten werden, den Bredereck seit eineinhalb Jahren betreibt. Mehr als 4000 Textilien von gut 20 Herstellern umfasst ihr Sortiment inzwischen, ihre Kundschaft kommt aus ganz Deutschland.
Langfristig geplant hat Bredereck ihre Karriere als Unternehmerin allerdings nicht. „Ich hatte nie vor, mich mal selbstständig zu machen, wollte niemals Chefin sein, die für Angestellte Verantwortung übernimmt“, erzählt die 39-Jährige. Ursprünglich hat sie Kunst in Halle studiert und in dem Fach auch ihr Diplom gemacht. Mit der Geburt ihres zweiten Sohnes kam sie jedoch – quasi aus der eigenen Not heraus – auf die Geschäftsidee, einen Online-Verleih für ökologische Babykleidung aufzubauen.
„Ich wollte meinen Sohn günstig und ökologisch kleiden, habe dabei aber gemerkt, dass es wahnsinnig umständlich und aufwändig ist, die Sachen zu bekommen.“ Nur wer viel Geld habe, könne es sich leisten, seine schnell wachsenden Kinder alle paar Wochen immer wieder neu einzukleiden. Und gebrauchte Sachen auf einem Flohmarkt oder auf Anzeigenseiten im Internet zu finden, habe einem Glücksspiel geglichen.
Mit dem Online-Shop will Bredereck nun gleich mehrere Ziele auf einmal verfolgen: Eltern sollen die Möglichkeit haben, ihren Nachwuchs günstig einzukleiden, indem sie die Sachen mieten. „Mit 30 Euro im Monat ist das machbar“, sagt sie. Ferner soll alles ökologisch sein. Die Hallenserin bestellt bei verschiedenen Herstellern Textilien, die zertifiziert und damit frei von Giftstoffen sind. Und nicht zuletzt ist Bredereck Nachhaltigkeit wichtig. Die Kleidungsstücke, die kaputt gehen, werden nicht weggeschmissen, sondern repariert.
Leicht ist ihr die Gründung der Online-Firma nicht gefallen. „Es ist eine sehr aufwändige Geschäftsidee, Sachen zu vermieten. Auch hatte ich keinen Businessplan, keine Kalkulation“, erzählt sie. „Wenn ich vorher von den Schwierigkeiten gewusst hätte, dann hätte ich das vielleicht nicht gemacht.“
Doch Bredereck hat sich durchgebissen. Alle Investitionen hat sie bislang aus eigener Tasche finanziert. Drei Festangestellte beschäftigt sie, dazu noch freie Mitarbeiter. „Wir überlegen auch intensiv, wie wir weiter wachsen wollen, ob wir uns um Fremdkapital bemühen.“
Bredereck hat dies bislang bewusst vermieden, um unabhängig zu bleiben, wie sie sagt. Der Haken dabei: Obwohl sie selbst die Firmenchefin ist, verdient sie bislang nichts an ihrer Firma. In der ersten Zeit bezog sie Hartz IV, momentan finanziert ihr Partner allein die Familie. „Wenn ich mir ein Gehalt geben würde, dann hätte ich kein Geld mehr zum Investieren“, erklärt Bredereck. „Und als Künstler sind wir es gewohnt, mit wenig Geld zu leben.“
Doch als reine Künstlerin sieht sich Bredereck nicht mehr, eher als „Unternehmerin mit einem starken künstlerischen Ansatz“, wie sie sagt. Generell habe sich ihr Bild von einem Firmeninhaber gewandelt. „Auf sie wird immer geschimpft“, so die 39-Jährige, „doch was für ein Unternehmen sie auch haben – sie unternehmen etwas, tragen Verantwortung für sich und ihre Mitarbeiter.“
Neben der Finanzierungsfrage will Bredereck ein weiteres wichtiges Problem noch lösen: Wie andere Online-Händler hat auch „Räubersachen“ mit einer hohen Widerrufsquote der Textilien zu kämpfen – meist weil Kunden die Ware eine Nummer zu groß oder zu klein bestellen. „Wir wollen erreichen, dass die Leute künftig achtsamer Bestellungen aufgeben“, erklärt Bredereck. „Wir überlegen deshalb, noch genauere Größenangaben im Online-Shop zu hinterlegen.“ Sie ist aber zuversichtlich, dass sie dieses Problem auch noch in den Griff bekommt. „Wie bei allen Herausforderungen begeben wir uns in einen kreativen Prozess.“
Grundsätzlich ist Bredereck davon überzeugt, dass ihr Geschäft weiterhin funktionieren wird, sie verzichtet sogar auf größere Werbeaktivitäten. „Wenn die Idee gut ist und für den Kunden wirklich einen Vorteil hat, dann braucht man nicht unbedingt Werbung.“
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