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EU-Förderprojekte Einzelfirmen haben das Nachsehen

Sachsen-Anhalts Arbeitsministerium schließt Betriebe von Förderprojekten aus - und schiebt der EU die Schuld zu.

31.03.2017, 23:01

Magdeburg l Manfred Zimmer ist ein alter Hase im Bereich Berufsbildung. Kurz nach der Wende hat er die BBA Altmark als privates Einzelunternehmen in Stendal gegründet, seitdem setzt er für den Staat Beschäftigungsprogramme, Berufs- und Weiterbildungen um. Bis heute registriert Zimmer große Nachfrage, er beschäftigt mehr als 50 Festangestellte, darunter Lehrer, Ausbilder und Sozialpädagogen. Mit seinen drei Tochterfirmen, die er gegründet hat, kommt er sogar auf mehr als 90 Mitarbeiter. Doch so erfolgreich er auch ist – das Arbeitsministerium hält ihn für die Umsetzung eines von der EU geförderten Programms zur Integration von Langzeitarbeitslosen plötzlich für ungeeignet.

„Das habe ich in den letzten 25 Jahren noch nicht erlebt“, ärgert sich Zimmer. Denn es geht gar nicht um die Frage, ob seine Firma fachlich für die Umsetzung des Programms taugt. Es geht allein um die Rechtsform seines Betriebs. Die BBA hat Zimmer einst nicht als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), sondern als Einzelunternehmen angemeldet. Sein Vorteil damals: Er musste kein Geld für die Gründung hinterlegen, dafür haftet er bis heute mit seinem Privatvermögen. Doch warum soll ein Einzelunternehmen weniger geeignet sein als eine GmbH? Die Antwort blieb zunächst unklar.

Für das Arbeitslosen-Programm „Aktive Eingliederung“ meldete sich Zimmer zunächst beim Landkreis Stendal. Dieser attestierte der BBA – wie in früheren Fällen auch – für Programme wie dieses geeignet zu sein. Von der Investitionsbank, die für das Arbeitsministerium die Bewilligung der Förderbescheide regelt, erhielt Zimmer jedoch einen Ablehnungsbescheid mit Verweis auf die Rechtsform der Firma.

Über den Verband Deutscher Privatschulen (VDP) ließ Zimmer daraufhin beim Arbeitsministerium anfragen, weshalb die BBA und andere Einzelunternehmen die Förderprojekte nicht umsetzen dürfen. Nachdem die E-Mail im Ministerium Ende November eingegangen war, passierte erst einmal vier Wochen lang gar nichts. Erst auf erneute Nachfrage des Verbands meldete sich am 4. Januar dann der zuständige Abteilungsleiter. Die E-Mail sei ihm „im vorweihnachtlichen Chaos durchgerutscht“ oder „gar nicht bei mir angekommen“. Der Abteilungsleiter teilte dann mit, dass er seine Referatsleiterin beauftragt habe, den Fall zu prüfen.

Noch mal knapp drei Wochen später, am 23. Januar, meldete sich die Referatsleiterin. Sie begründete den Ausschluss der Einzelunternehmen mit einer EU-Verordnung. Weil das Arbeitsmarktprogramm „Aktive Eingliederung“ aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert wird, müsse das Land Sachsen-Anhalt entsprechende Vorgaben aus Brüssel beachten. Und diese würden vorsehen, dass Einzelunternehmen nicht zu den „Begünstigten“ gerechnet würden – mit anderen Worten: von der Förderung ausgeschlossen sind. Die EU also sei Schuld.

Sowohl Manfred Zimmer als auch der VDP-Verband prüften daraufhin die EU-Verordnung, die das Arbeitsministerium anführt – und kamen zu dem Schluss, dass das dort so gar nicht drinsteht. Der Verband fragte daraufhin noch einmal im Arbeitsministerium nach.

Der Abteilungsleiter räumte daraufhin ein, dass theoretisch auch Einzelunternehmen das Programm „Aktive Eingliederung“ umsetzen könnten. Das Ministerium habe aber von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und Einzelfirmen ausgegrenzt, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Diese Begründung führt das Ministerium auch auf Volksstimme-Nachfrage an. Zwar wolle sich das Haus zum Einzelfall BBA Altmark nicht äußern, generell handele es sich beim Förderpragramm „Aktive Eingliederung“ aber um ein „relativ großes Programm“ im Umfang von 400.000 Euro. Mit Hilfe des Ausschlusses solle vermieden werden, dass sich kleine Einzelunternehmen um die Förderung bewerben, die nicht leistungsfähig genug sind und bei denen der Inhaber im Zweifelsfall haftet, wenn die Gelder nicht zweckentsprechend eingesetzt werden.

Für Manfred Zimmer ist das ein Schlag ins Gesicht. „Ich bin seit mehr als 25 Jahren am Markt und jetzt soll ich plötzlich nicht mehr geeignet sein?“

Was ihn auch ärgert, ist der Umstand, dass das Ministerium an verschiedene Programme unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Beim Programm „Weiterbildung direkt“ sind Einzelunternehmen ebenso zugelassen wie beim Programm für Berufsorientierung „BRAFO“, für das die BBA bereits in der Vergangenheit den Zuschlag erhalten hatte. Hier ging es ebenfalls um ein Finanzvolumen von 372.000 Euro. „Das Ministerium hatte in diesem Fall auch keine Bedenken wegen möglicher Haftungsrisiken“, betont Zimmer.

Der Unternehmer könnte nun auch die Rechtsform seiner Firma ändern lassen, doch das lehnt Zimmer aus Prinzip ab. „Ich sehe nicht ein, warum Einzelunternehmen allein wegen ihrer Rechtsform vom Staat diskriminiert werden sollen.“ Gegen den Ablehnungsbescheid klagt der Unternehmer deshalb auch vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg.

Unterstützung erhält Zimmer sowohl vom Verband der Privatschulen als auch vom Allgemeinen Arbeitgeberverband (AVW). „Das Land müsste doch daran interessiert sein, geradezu geeignete Antragsteller zu fördern“, mahnt AVW-Geschäftsführerin Sigrun Trognitz. Wie viele Einzelfirmen nun das Nachsehen haben, ist unklar. Doch von rund 66.000 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Sachsen-Anhalt firmieren knapp 48.000 als Einzelunternehmen. Die Rechtsform ist insofern deutlich weiter verbreitet als andere.

Das Arbeitsministerium will beim Ausschluss der Firmen nun bleiben, auch um den Verwaltungsaufwand für die Landkreise bei Prüfungen der Bewerbungen gering zu halten.