Fahrradhersteller Mifa braucht Millionen

Der Fahrradbauer aus Sangerhausen steckt erneut in Schwierigkeiten. Von Ifa Rotorion gab es bereits eine Finanzspritze.

16.12.2016, 23:01

Berlin/Sangerhausen/Magdeburg  l Der Neubau am Stadtrand von Sangerhausen soll für die Zukunft von Mifa stehen. Doch die Fahrradschmiede kommt nicht in Tritt. Schon seit Monaten schießt die Familie von Nathusius über das Schwester-Unternehmen Ifa Rotorion Geld hinzu. Vor Weihnachten soll Mifa erneut Hilfe benötigen.

Es ist Mittagszeit, als der mächtige Beirat von Ifa Rotorion am gestrigen Freitag in Berlin zusammentrifft. Das Treffen des obersten Gremiums des Automobilzulieferers aus Haldensleben dauert vier Stunden. Wenig später erreicht die Volksstimme den Vorsitzenden des Beirats, Tessen von Heydebreck. Der ehemalige Vorstand der Deutschen Bank bestreitet, dass erneut über weitere Millionenhilfen für das Schwester-Unternehmen Mifa-Bike gesprochen worden sei.

In den vergangenen Monaten hatte der Automobilzulieferer Ifa Rotorion seinem Schwester-Unternehmen, dem Fahrradbauer Mifa-Bike in Sangerhausen, bereits rund 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Rechtlich gehören die Firmen nicht zusammen. Blut verbindet die Unternehmen. Eigentümer und Geschäftsführer von Mifa ist Heinrich von Nathusius. Gesellschafter und Geschäftsführer von Ifa Rotorion ist sein Sohn, Felix von Nathusius.

Familienoberhaupt Heinrich von Nathusius hatte gegenüber der Volksstimme vor zwei Wochen den Deal bestätigt. Mifa brauchte die Millionen, um das operative Geschäft zu finanzieren. Bisherige Partner, unter anderem auch die Investitionsbank Sachsen-Anhalt, hatten den Geldhahn zugedreht. Eine letzte Tranche gab der Ifa-Beirat erst vor einem Monat frei. Seit Wochen knirscht es deswegen in dem Gremium.

In dem Rat prallen zwei Generationen aufeinander. Heinrich von Nathusius, 73, gilt als stoisch und heimatverbunden, ein Unternehmer der alten Schule. Nach der Wende hatte er Ifa Rotorion aufgebaut. Heute erzielt das Unternehmen Millionengewinne. Als ihn vor zwei Jahren der damalige Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) bat, den angeschlagenen Fahrradbauer zu retten, fühlte sich von Nathusius verpflichtet. Ein Stück seines Erfolgs wollte er den Menschen in Sachsen-Anhalt zurückgeben. Deshalb ließ er im Landkreis Mansfeld-Südharz für rund 17 Millionen Euro ein neues Werk aufbauen – auch, wenn es günstigere Alternativen gegeben hätte, etwa eine bestehende Halle in Thalheim.

Sohn Felix von Nathusius, 43, studierte in Oxford, Paris und Madrid, verkörpert den neuen Geist der Firmenlenker. Mit klugen Entscheidungen stellt er sein Unternehmen auf die globalen Herausforderungen und den Wandel der Antriebstechnik ein.

Doch wie weit sich Vater und Sohn in strategischen Fragen voneinander entfernt haben, war in diesem Jahr deutlich zu erkennen: Felix von Nathusius legte im Sommer in der kleinen polnischen Gemeinde Ujest den Grundstein für ein neues Werk. Geringe Energiekosten und niedrigere Löhne als in Deutschland hatten die Haldensleber in die osteuropäische Provinz gelockt.

Vater Heinrich hatte mit seinem Unternehmen bereits einige Monate zuvor einen gegensätzlichen Kurs eingeschlagen. Das strukturschwache Mansfeld-Südharz sollte die Heimat von Mifa bleiben. Das neue Werk sollte ein Meilenstein werden, der feste Anker auf dem Weg zum profitablen Unternehmen. Automobile Standards in der Fertigung versprach Heinrich von Nathusius und kurze Wege für Lieferanten.

Intern musste sich der Patriarch, der erst 2014 die Geschäftsführung von Ifa Rotorion an seinen Sohn Felix übertragen hatte, immer wieder für diesen Kurs rechtfertigen. Kritiker warfen dem Mifa-Chef einen verklärten Blick vor. Zu sehr habe sich von Nathusius darauf versteift, Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt zu halten. Falsch sei es gewesen, das knappe Geld für einen kostspieligen Neubau zu verwenden. Stattdessen hätte lieber in die Entwicklungsabteilung und den Vertrieb investiert werden sollen, sagt eine Quelle aus dem Umfeld der Familie.

Nur im Ein-Schicht-Betrieb wird derzeit bei Mifa produziert. Dass die Auftragslage hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, hatte Heinrich von Nathusius bereits vor zwei Wochen angedeutet. Für das kommende Jahr stehen nach Informationen der Volksstimme aber bereits Bestellungen für rund 42 Millionen Euro in den Büchern. Am Freitag wollte sich Heinrich von Nathusius nicht gegenüber der Volksstimme äußern.