1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Sparkassen müssen sparen

Filialschließung Sparkassen müssen sparen

Die Gewinne in Sachsen-Anhalt steigen, dennoch schließt die Sparkasse Geschäftsstellen. Ein Experte nimmt die Kreditinstitute in Schutz.

Von Alexander Walter 11.02.2018, 19:13

Magdeburg/Halberstadt l Von gut 1,8 Millionen auf mehr als 2 Millionen Euro ist der Gewinn der Harzsparkasse zwischen 2009 und 2016 gestiegen. Keine negativen Zahlen möchte man meinen. Und doch hat das Institut seit 2012 15 – wenn auch überwiegend kleine – Filialen geschlossen. Ein ähnliches Bild zeigt sich vielerorts im Land, etwa bei der Magdeburger Sparkasse: Hier lag der Gewinn 2007/8 noch unter einer Million Euro. Bis 2014/15 stieg er auf 2,4 Millionen an. Auch die Magdeburger haben Filialen geschlossen, in den vergangenen fünf Jahren sechs.

Wie passt das mit den Aufgaben der Sparkassen zusammen? Als öffentlich-rechtliche Körperschaften sind sie gesetzlich verpflichtet, die Bevölkerung mit Bargeld zu versorgen. Gar nicht, meint ein Leser der Volksstimme. Er sieht die Sparkassen in der Pflicht, das Filialnetz zu erhalten. Auch der Bundesgeschäftsführer des Landkreistages, Hans-Günter Hennecke, übte zuletzt Kritik: Die Verankerung der Sparkassen im ländlichen Raum drohe verloren zu gehen, sagte er. „Man sollte nicht den Rückzug aus der Fläche propagieren, nur weil es vielleicht hier und da nicht wirtschaftlich ist.

Der Vorwurf kam nicht von ungefähr: Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) haben die Sparkassen bundesweit seit 2000 mehr als 10.000 von gut 38.000 Filialen geschlossen. Ziehen sich die Sparkassen hier ohne Not aus der Fläche zurück? „Nein“, sagt Horst Gischer Wirtschafts-Professor an der Uni Magdeburg. Tatsächlich stünden die Institute unter zunehmendem Druck. Das habe mehrere Gründe:

Einer der wichtigsten ist ein sich dramatisch wandelndes Kundenverhalten: Um Kontakt zur Sparkasse aufzunehmen, nutzte ein Durchschnittskunde schon 2015 im Schnitt 228 Mal Online-Apps, geht aus Erhebungen des Sparkassenverbands hervor. Noch 24 Mal nutzte er den Bankautomaten. Im ganzen Jahr kam aber nur ein Filial-Besuch zusammen. Doch ziehen Kunden Online-Angebote echten Filialen auch vor, wenn sie die Wahl haben? Der Trend zum Online-Banking kommt eindeutig aus der Bevölkerung und hat schon vor 20 Jahren begonnen, sagt Experte Gischer.

Damals seien die ersten Direktbanken mit kostenlosen Girokonten entstanden. Diese setzten die Sparkassen seither gehörig unter Druck. Außerdem: Die Bevölkerung schrumpft. Die Leute kommen also nicht nur seltener, es gibt auch weniger Kunden.

Zweiter Aspekt ist eine strengere Regulierung: Als Lehre aus der Finanzkrise 2008 müssen Banken mehr Eigenkapital vorhalten, um als stabil zu gelten. Für die Sparkassen hat die Sache allerdings einen entscheidenden Haken: Andere Banken können Aktien und Anteile ausgeben, um das Eigenkapital zu erhöhen. Die Sparkasssen müssen dazu allein auf ihre Gewinne zurückgreifen. Damit sind diese von vornherein stärker gebunden.

Auch bei der Personalausstattung greift die verschärfte Regulierung: Vor der Finanzkrise seien beispielsweise Ein-Personen-Filialen üblich gewesen, sagt der Experte. Nach den neuen Regeln müssen wenigstens zwei Personen eine Filiale mit Kasse betreuen. Als Pausenvertretung kommt oft eine dritte Kraft hinzu. „Selbst bei kleinen Filialen liegt man so schnell bei 300.000 Euro im Jahr“, sagt der Experte. Wenn dann kaum jemand kommt, müsse man solche Standorte hinterfragen dürfen. Verlierer sind oft über 60-jährige Kunden, sagt Gischer.

Das räumt auch Sascha Neuhäuser, Sprecher der Harzsparkasse, ein: „Wir wissen, dass es viele Ältere gibt, die keine Affinität zum Internet haben. Wir sind aber auch ein Wirtschaftsunternehmen, und müssen sicherstellen, dass wir den Versorgungsauftrag auch künftig erfüllen können.“ Neuhäuser verweist darauf, dass das Filialnetz im Harz auch heute eines der dichtesten im Land sei. Zusätzlich würden Busse in die Dörfer fahren.

Busse, flexible Beratungstermine – viele Häuser nutzten ähnliche Strategien, sagt Experte Gischer. Die meisten Sparkassen gingen bei Schließungen verantwortungsvoll vor. Den Versorgungsauftrag sieht er nicht gefährdet. „In Großbritannien fährt man schon mal 50 Kilometer bis zur nächsten Filiale. So etwas ist bei uns noch lange nicht in Sicht.“

Und schließlich würden die Kommunen über den Sparkassen-Verwaltungsrat bei der Filialentwicklung entscheidend mitreden. Die Mitglieder des Rats werden zu zwei Dritteln vom jeweiligen Kreistag bestimmt.