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Finanzwirtschaft Sparkassen wachsen auf Kosten der Großen

Sparkassen und Volksbanken haftet der Ruf der Langeweile an. Doch die vermeintlichen Provinzbankiers expandieren auf Kosten der Großbanken.

Von Carsten Hoefer, dpa 01.04.2019, 23:01

München l Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland haben ihre Marktanteile in Deutschland in den vergangenen Jahren auf Kosten der privaten Großbanken deutlich ausgebaut. Mit einer starken Ausweitung des Kreditgeschäfts haben die kommunalen Geldhäuser sowie die Volks- und Raiffeisenbanken expandiert. „In Zeiten, in denen der Mittelstand das Gefühl hat, andere verlassen uns, müssen wir unser Firmenkundengeschäft ausbauen und Marktanteile gewinnen“, sagt der Präsident des Sparkassenverbands Bayern, Ulrich Netzer.

Das Kreditgeschäft wächst flott: Die bayerischen Sparkassen hatten Ende 2018 fünf Milliarden Euro mehr in den Kreditbüchern stehen als ein Jahr zuvor, ein Plus von 4,1 Prozent. Die Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat verliehen 5,9 Milliarden mehr als 2017, ein Zuwachs von über sechs Prozent. Die ostdeutschen Sparkassen meldeten sieben Prozent mehr Kredite, die niedersächsischen ein Plus von 3,8 Prozent. Möglich ist das, weil die Kundschaft gleichzeitig trotz niedriger Zinsen stetig mehr Geld zu Sparkassen und Volksbanken trägt. Die Einlagen wachsen, ebenso das Eigenkapital.

Die Sparkassen bezifferten ihren bundesweiten Marktanteil am deutschen Bankgeschäft 2012 auf 15,6 Prozent, 2017 waren es 17 Prozent. Auch die Genossenschaftsbanken melden steigende Marktanteile im Kreditgeschäft mit Firmen- und Privatkunden. Ungeachtet sprudelnder Kreditvergabe lassen die Regionalbanken offenkundig nach wie vor Vorsicht walten: „Es ist nicht zu erkennen, dass die Sparkassen und Volksbanken besonders leichtsinnig würden“, sagte kürzlich Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.

„Unter dem Strich ist es erstaunlich, wie anpassungsfähig die deutschen Regionalbanken sind, sie sind in der Substanz heute gut aufgestellt“, sagt Heinz-Gerd Stickling, Bankenexperte bei der auf den Finanzsektor spezialisierten Unternehmensberatung ZEB in Münster. „Sie haben in den vergangenen Jahren auf Kosten der Privatbanken permanent Marktanteile im Firmenkundengeschäft gewonnen, und das in einer Zeit, in der das Kreditgeschäft insgesamt lange stagnierte.“ Das Problem: „Allerdings können sie den sinkenden Zinsmargen nur entgegentreten, wenn sie Volumen pumpen und wachsen, wachsen, wachsen“, sagt Stickling. „Wenn das kippt, wird es spannend.“

Bislang ist es den Regionalbanken gelungen, die negativen Folgen der Nullzinspolitik abzufedern. Sowohl Sparkassen als auch Genossenschaftsbanken leben hauptsächlich vom Zinsüberschuss. Und da die Zinsspanne alljährlich sinkt, bleibt ungeachtet steigender Bilanzsummen unter dem Strich weniger übrig. Doch rote Zahlen gibt es bisher nicht. Dazu maßgeblich beigetragen haben die Sparer. Die Expansion im Kreditgeschäft und Tiefstzinsen für Sparer allein reichen aber nicht, um die Folgen der Nullzinspolitik aufzufangen. Deshalb haben die Institute ihre Provisionen erhöht und in großem Stil Personal abgebaut. Die Sparkassen beschäftigten Ende 2018 rund 36.000 Menschen weniger als 2012, bei den Genossenschaftsbanken war es ein Minus von über 17.000 Arbeitsplätzen.