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Fluggesellschaft  Air Berlin wird demontiert

Die deutsche Fluggesellschaft Air Berlin wird voraussichtlich zerschlagen. Das kann weitreichende Folgen für die Branche haben.

27.09.2016, 05:38

Frankfurt/Main (dpa) l Voraussichtlich noch in dieser Woche will Air Berlin Großaktionär Etihad die hoch verschuldete Firma auf die Hälfte schrumpfen. Rund 40 Flieger werden die Araber voraussichtlich an die Lufthansa los, deren Aufsichtsrat am Mittwoch über die Übernahme von Flugzeugen und Crews mittels Leasing beraten will. Außerdem wolle das Unternehmen die Zahl der Arbeitsplätze in der Verwaltung halbieren, sodass etwa tausend der rund 8900 Mitarbeiter entlassen würden, wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag berichtete.

Weitere Ferienflieger und die Tochter Niki könnten in einem Gemeinschaftsunternehmen mit der Tui landen, heißt es aus dem Umfeld der Verhandler. Verbleiben würden mit rund 70 Jets einige Fernstrecken, der Drehkreuz-Verkehr in Berlin und Düsseldorf sowie die Zubringerflüge nach Abu Dhabi – der eigentliche Grund, warum Etihad überhaupt jemals bei den Berlinern eingestiegen ist.

Luftfahrt-Berater Gerald Wissel ist allerdings auch vom verkleinerten Konzept nicht überzeugt: „Die Europa-Strategie der Etihad ist gescheitert. Etihad handelt nicht strategisch, sondern aus reiner Verzweiflung.“

So ist wohl auch die derzeitige Eile zu verstehen, die verlustreiche Airline aufzuspalten. „Es geht jetzt Schlag auf Schlag“, heißt es in Etihad-Kreisen. Wenn der Lufthansa-Deal am Mittwoch gelingt, solle die Vereinbarung mit Tuifly noch diese Woche spruchreif werden.

Zusätzliche Bewegung kommt von den großen Touristikkonzernen, deren eigene Fluggesellschaften wie Tuifly oder Condor zuletzt mit der mangelnden touristischen Nachfrage in die Türkei und arabische Ziele zu kämpfen hatten. „Thomas Cook und Tui prüfen, ob sie ihre Fluggesellschaften abgeben“, sagt Wissel. Zunächst geht aber wohl erstmal nur die Tuifly mit einer Air Berlin-Teilflotte zusammen. Die Partner fänden damit zumindest einen Ausweg aus dem für Air Berlin viel zu teuren Leasing-Deal von 14 Tuifly-Boeings samt Personal, der Insidern zufolge noch mindestens bis 2019 gelaufen wäre.

Angesichts der Air Berlin-Rekordschulden von zuletzt rund 900 Millionen Euro könnte Tui gezwungen sein, in den sauren Apfel zu beißen – auch um nicht sehr bald von einem Zusammenbruch der Berliner überrascht zu werden. Die Deals um Air Berlin könnten so erste Schritte zur Neuordnung der europäischen Luftfahrtbranche werden.

Mit Ryanair und Easyjet lauern zwei aggressive Anbieter permanent auf Wachstumschancen, zumal sie wegen des angekündigten Brexits in ihrem britischen Hauptmarkt mit jahrelanger Flaute rechnen müssen.

Lufthansa muss daher dafür sorgen, dass der Flugbetrieb der von ihr geleasten AirBerlin-Flugzeuge ununterbrochen weiterläuft. Kommt der Deal, der nur Flugzeuge vom Eurowings-Einheitsmuster A320 umfassen soll, werden zum Winterflugplan ab dem 30. Oktober erst einmal nur Flugnummer und Verkehrsrechte umgeflaggt. Neue Uniformen, Lackierungen und erst recht eine engere kommerzielle Anbindung der neuen Teilflotte hätten erst einmal Zeit.

Das fliegende Personal ist höchst alarmiert, wenn auch zunächst vor allem in der Verwaltung gestrichen werden soll. Ufo-Chef Nicoley Baublies warnt die Gesellschaften davor, die Neuordnung ohne die Sozialpartner durchzuziehen. Der unstrukturierte Prozess bereite ihm große Sorgen, sagt der Tarifexperte der Kabinengewerkschaft.