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Fördermittel Weniger Regeln, mehr Investitionen

Gelockerte Vorschriften bei der Vergabe von Fördermitteln sollen in Sachsen-Anhalt mehr Investitionen durch Unternehmen auslösen.

17.08.2015, 23:01

Magdeburg l Wenn Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) bereitwillig Kuchen verteilt, muss etwas Besonderes geschehen sein. Im September des vergangenen Jahres war einer dieser Tage. Denn zuvor hatte der Minister eine der größten Investitionen verkündet. Für 39 Millionen Euro hat Hermes Fulfilment seitdem sein Logistikzentrum in Haldensleben ausgebaut. Rund 300 neue Arbeitsplätze entstehen. In diesem September sollen die neuen Anlagen in Betrieb gehen.

Das Land förderte die Investition mit zehn Millionen Euro. Es war die größte Summe, die im vergangenen Jahr an Unternehmen aus dem Topf der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) geflossen ist.

Logistiker Hermes Fulfilment, der zum Hamburger Otto-Konzern gehört, hat investiert – und sich damit dem Trend in Sachsen-Anhalt entgegengestellt. Denn die Bewilligungen und die abgerufenen Fördermittel aus dem GRW-Topf gehen seit Jahren zurück (siehe Grafik). Anträge auf Förderung hätten in den vergangenen Jahren um rund die Hälfte abgenommen. Das sei ein deutliches Indiz für eine verhaltene Investitionsneigung der Unternehmen, so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums.

Neue Richtlinien für die Vergabe der GRW-Fördermittel sollen diesen Trend nun stoppen. Wichtigste Änderung: Gefördert werden ab sofort auch Investitionen, durch die keine zusätzlichen Arbeitsplätze entstehen, sondern lediglich bestehende Arbeitsplätze gesichert werden. „Wir wollen damit gezielte Anreize setzen, um unsere Unternehmen stärker für Investitionen in ihren Betrieb zu motivieren“, erklärte Hartmut Möllring. Bislang förderte das Land Erweiterungen nur, wenn dadurch neue Dauerarbeitsplätze entstanden sind. „Diese Beschränkung wird künftig mit Blick auf die guten Arbeitsmarktzahlen und den Fachkräftemangel entfallen“, so der Minister.

Das Mindestinvestitionsvolumen wird zudem von 70 000 auf 50 000 Euro abgesenkt. Das soll vor allem kleinere Unternehmen zu Erweiterungen motivieren. Neu ist auch das Firmen aus den Branchen Druckerzeugnisse, Baustoffproduktion und Großhandel gefördert werden können. Vor allem die Erweiterung auf diese Branchen wird von der Opposition kritisiert. „Die Innovationskraft der Investitionen wird nicht weiter hinterfragt. Hauptsache das Geld ist ausgegeben. Diese Branchen sind bisher auch ohne Subventionen ausgekommen“, sagte Frank Thiel, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken. Mit den neuen Förderrichtlinien gebe es keine Anreize, um Arbeitsplätze zu schaffen. „Gute Arbeit sieht anders aus, wenn es um die Vergabe von Subventionen geht“, so Thiel.

Auch Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, zweifelt an der Förderpolitik der Landesregierung. „Die Gefahr, dass es zu Mitnahmeeffekten kommt, ist groß. Ökonomisch sinnvolle Investitionen sollten sich in der Regel auch ohne staatliche Förderung rechnen“, sagte Holtemöller.

Unterstützung findet der Kurs der Landesregierung hingegen aus der Wirtschaft. „Seit Jahren fällt es vielen Unternehmen schwer, Fachkräfte zu finden. Es ist deshalb konsequent, die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen als Fördervoraussetzung abzuschaffen“, sagte Reinhard Schröter, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau.

Der Abbau von Vorschriften ist seit Jahren eine der Forderungen der Wirtschaftsverbände. Ob die neuen Förderrichtlinien aber tatsächlich zu mehr Investitionen in Sachsen-Anhalt führen, ist fraglich. Denn vor allem weltwirtschaftliche Unsicherheiten würden Unternehmen von Investitionen abhalten. Das ergab eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft bei 2900 Unternehmen im Herbst 2014. Demnach seien vor allem der Konflikt in der Ukraine, aber auch die Krise in der Eurozone hemmend.

Investitionszuschüsse aus dem GRW-Topf, der von Bund, Land und EU finanziert wird, gibt es in Sachsen-Anhalt seit Anfang der Neunzigerjahre. Ohne die Förderung wären viele strukturelle und wirtschaftliche Veränderungen im Land nicht möglich gewesen. Seit 1994 bis einschließlich 2014 flossen in die Wirtschaft Subventionen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro. Die Investitionssumme für die 8954 Förderfälle betrug insgesamt 37,1 Milliarden Euro.

Gefördert werden maximal 35 Prozent der Investitionssumme bei Unternehmen. Zudem werden höchstens 500 000 Euro pro geschaffenem Arbeitsplatz subventioniert.

Weitere Informationen gibt es auf www.ib-sachsen-anhalt.de