Fricopan-Aus Appell an Aryzta

Der Backwarenhersteller Fricopan in der Altmark steht vor dem Aus. Betriebsrat, Gewerkschaft und Wirtschaftsminister wollen Jobs retten.

06.05.2016, 23:01

Magdeburg/Klötze l Seit Ende des vergangenen Jahres ist Frank Kleiner Europa-Chef beim Fricopan-Mutterkonzern Aryzta. Der 44-Jährige kennt sich aus in der Backbranche: Von 2005 bis 2013 war Kleiner beim Dortmunder Back-Konzern Lieken beschäftigt, auch im Vorstand. Kleiner hätte in diesen Tagen viel zu erklären. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Aryzta das Fricopan-Werk in Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) schließen wird. Doch Kleiner äußerte sich nicht. Zumindest nicht öffentlich.

Nach Volksstimme-Informationen hat der Aryzta-Vorstand am Freitag mit dem neuen Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, Jörg Felgner (SPD), telefoniert. Felgner, erst wenige Tage im Amt, hörte zu, ließ sich die Gründe für die Entscheidung erklären. Gegenüber der Volksstimme sagte er nach dem Gespräch: „Die angekündigte Schließung des Fricopan-Werks ist sehr schmerzhaft, für die Beschäftigten wie auch für die gesamte westliche Altmark. Auch für das Land ist diese unternehmerische Entscheidung ein herber Schlag. Für uns stehen jetzt die Beschäftigten im Mittelpunkt. Ich habe die Geschäftsführung des Mutterkonzerns ausdrücklich an die unternehmerische Verantwortung erinnert.“

Doch wie ernst nimmt Aryzta diese Verantwortung? Wird das Werk in Klötze geschlossen, sind mehr als 500 Beschäftigte arbeitslos. Und das in der Altmark, einer Region, in der Arbeitsplätze nicht vom Himmel fallen.

Aryzta, seit 2008 Besitzer von Fricopan, soll beim Backwaren-Werk seit Jahren mehr verwaltet als unternehmerisch gehandelt haben. Seit dem Einstieg des Züricher Konzerns soll es fünf verschiedene Geschäftsführer gegeben haben. Der Maschinenpark soll die besten Jahre hinter sich haben. „Ein langfristiges Konzept hat es nie gegeben“, kritisierte Holger Willem, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Magdeburg. Er sagte: „Der Grund für die Schließung ist konstruiert. Die Produktion ist systematisch nach Eisleben verlagert worden. Natürlich ist dann die Auslastung bei Fricopan schlecht.“

Aryzta wollte sich auch am Freitag gegenüber der Volksstimme nicht äußern. Am Montag bei einer Betriebs-Versammlung sollen der Belegschaft zunächst die Gründe für das Fricopan-Aus erläutert werden.

Klar ist aber auch: an dem anderen Aryzta-Standort bei Klemme in Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) laufen die Geschäfte gut. Erst im vergangenen Jahr ist dort ein weiteres Werk in Betrieb genommen worden: Werk 7 stellt vor allem Berliner und Donuts her.

In Klötze sind bislang tiefgekühlte Brötchen und Baguettes vom Band gelaufen. Doch in den vergangenen Wochen standen viele Produktionslinien still. Die Geschäftsführung will am Montag auch Zahlen vorlegen, die belegen, dass Fricopan in den letzten Jahren nur noch ein Zuschuss-Geschäft gewesen sei. Holger Willem zweifelt daran. Zusammen mit einer Hamburger Wirtschaftsprüfgesellschaft soll ein Gegengutachten erarbeitet werden. Der Betriebsrat, der das am Montag beschließen will, gibt sich kämpferisch. Der Linken-Landtagsabgeordnete Andreas Höppner, selbst neun Jahre lang Fricopan-Betriebsratschef, steht seinen alten Kollegen in der schweren Zeit als Berater zur Seite. „Jeder Arbeitsplatz, der verloren geht, muss teuer bezahlt werden“, sagte er.

Die Fricopan-Beschäftigten planen am Montag nach der Betriebs-Versammlung einen Spaziergang in die Klötzer Innenstadt. Sie hoffen so, ein Zeichen setzen zu können. Wirtschaftsminister Jörg Felgner wird dann wohl wieder telefonieren. „Wir werden uns im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür einsetzen, dass ein Beschäftigungsabbau so sozialverträglich wie möglich erfolgt“, so Felgner. Die Mitarbeiter will er nicht alleine lassen.