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Gewerkschaften Amazon von Streiks unbeeindruckt

Der Internetriese kalkuliert einfach ein, dass Mitarbeiter die Arbeit niederlegen, sagt BWL-Professor Gerrit Heinemann.

06.11.2016, 23:01

Köln (dpa) l „Die Streiks sind ein Witz.“ Gerrit Heinemann lässt kein gutes Haar an den Plänen der Gewerkschaft Verdi, den Onlineriesen Amazon mit Arbeitsniederlegungen in die Knie zu zwingen – oder zumindest an den Verhandlungstisch. Heinemann gehört zu den führenden Experten für Internethandel in Deutschland, ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Eine durchschlagende Wirkung des Arbeitskampfes vermag er nicht zu erkennen. Amazon habe das alles längst einkalkuliert, betont der Wissenschaftler.

Vor wenigen Tagen hatte Verdi erneut zu Arbeitsniederlegungen an den deutschen Logistikstandorten des Unternehmens aufgerufen. Streiks bei Amazon sind inzwischen zu einem Dauerbrenner geworden und werden seit vier Jahren alljährlich im Weihnachtsgeschäft hochgefahren. Verdi fordert einen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels für die derzeit fest 11 000 Beschäftigten, bessere Arbeitsbedingungen und ein Ende von „Unternehmenswillkür“. Doch Amazon, das sich als Logistiker sieht, stellt sich quer.

Während der Versandriese selber von einer „überschaubaren“ Beteiligung spricht, gibt sich Thomas Voß kämpferisch: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Arbeitsabläufe erheblich betroffen waren und Amazon sein Kundenversprechen nicht immer einlösen konnte“, resümiert der Verdi-Experte für Versand- und Onlinehandel. Pro Schicht sollen sich im Schnitt nach seinen Angaben 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter am Austand beteiligt haben.

Doch auch den Gewerkschaftern schwant nichts Gutes. Denn eine Flanke ist völlig offen: Die Logistikzentren im Ausland und das weit verzweigte internationale Netzwerk des Versandhändlers. „Amazon ist so aufgestellt, bei streikbedingten Engpässen aus Logistikzentren im benachbarten Ausland liefern zu können“, sagt beispielsweise Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung, der Deutschen Presse-Agentur. Dabei verweist er auf Logistikzentren im benachbarten Tschechien und Polen.

Tatsächlich scheinen die Nadelstiche von Verdi den Onlineriesen kalt zu lassen. Über 31 Logistikstandorte in Europa verfügt der US-Konzern und baut seine Präsenz weiter aus, unter anderem in Dortmund und Frankenthal. Bei Auftragsspitzen helfen sich die Standorte gegenseitig aus. Das Unternehmen biete attraktive Arbeitsplätze und zahle gute Löhne am oberen Ende des Branchenüblichen, sagt Amazon-Sprecherin Anette Nachbar. Deshalb möchte der Onlinehändler die Gewerkschaft aus dem Betrieb heraushalten. „Amazon und Verdi passen nicht zusammen,“ so Nachbar.