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Handel Mindeststeuern für alle?

Google, Facebook und Co. zahlen weltweit weniger Steuern als Industriebetriebe. Die G-20-Gruppe will das nun umkrempeln.

08.06.2019, 23:01

Brüssel (dpa) l Die Top-Wirtschaftsmächte haben den Weg für eine Neuregelung des internationalen Steuersystems für Unternehmen bereitet. Angesichts legaler Steuerschlupflöcher für Internetriesen wie Google und Facebook einigten sich die G-20-Länder auf eine gemeinsame Erklärung zur stärkeren Besteuerung von Großkonzernen. "Wir werden unsere Anstrengungen für eine konsensbasierte Lösung mit einem finalen Bericht im Jahr 2020 verdoppeln", hieß es am Sonntag beim Treffen der G-20-Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Fukuoka.

Hintergrund ist, dass vor allem Internetriesen wie Google und Facebook mit den geltenden Steuerregeln, die im Prinzip aus dem vergangenen Jahrhundert stammen, kaum erfasst werden können. Sie zahlen deutlich geringere Steuern als klassische Industriebetriebe.

In kurzer Zeit habe nun eine große Bewegung stattgefunden, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Zudem wolle er es zum zentralen Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 machen. Dies sei der Zeitpunkt, um dann dafür zu sorgen, dass die internationalen Vereinbarungen zu europäischem Recht werden.

Die EU-Staaten hatten im vergangenen Jahr versucht, eine europaweite Digitalsteuer einzuführen. Dies war aber vor allem am Widerstand Irlands, das unter anderem Facebook in Europa beherbergt, sowie der skandinavischen Staaten gescheitert.

Konkret soll nun bis Ende des kommenden Jahres eine globale Mindeststeuer festgelegt werden. Zudem sollen staatliche Besteuerungsrechte neu verteilt werden. Sie dürften sich künftig weniger am Ort des jeweiligen Firmensitzes orientieren, sondern dort angesiedelt werden, wo Kunden beziehungsweise Nutzer von Dienstleistungen sitzen.

Deutschland und Frankreich hatten einen Vorschlag zur Mindestbesteuerung eingebracht. Vor allem Schwellenländer wie Indonesien und Indien forderten bei dem Treffen hingegen, das in sämtlichen Branchen – nicht nur bei Digitalfirmen – der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit deutlich wichtiger werden und Märkte besteuert werden sollten. Bis 2020 soll nun eine Gesamtlösung mit allen Details ausgearbeitet werden.

Weltweit agierende Konzerne, die Wege zur Steuervermeidung gefunden hätten, hätten es künftig schwerer, sagte Scholz weiter. "Das ist auch gut für die Demokratie."

Der SPD-Politiker hatte während des Treffens bereits betont, dass die Regelung zur Mindeststeuer zusätzliche Einnahmen bringen werde, auch für Deutschland. Die Höhe sei noch unklar. Zudem betonte er, dass Deutschlands Interessen als Exportnation auch bei der Frage der Besteuerungsrechte gewahrt werden müssten. "Wenn neue Regelungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft gefunden werden – und davon kann man jetzt sicher ausgehen -, werden wir auch erreichen, dass es keine sind, die unsere Steuern, die wir heute einnehmen, gefährden."

Vor 20 Jahren zählte kaum eine Handvoll von Digitalkonzernen zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Heute dominieren sie die Ranglisten: Einer Studie des Beratungsunternehmens EY zufolge waren Ende 2018 Microsoft, Apple und die Google-Mutter Alphabet ganz vorn. Von den deutschen Industrie-Schwergewichten schaffte es lediglich Siemens noch knapp in die Top 100.

Bei klassischen Industriebetrieben ist es anhand von Produktionsstätten, Geschäftsräumen und Mitarbeitern oft schon kompliziert, die wirtschaftlichen Tätigkeiten sowie Umsatz und Gewinn in einem Land eindeutig zu erfassen. Vor allem bei Digitalkonzernen ist es aber noch schwieriger.

Sie haben ihren Sitz meist nur in einem Staat und können ihre Geschäftstätigkeiten noch an Standorten mit für sie günstigen Steuersätzen bündeln – oft außerhalb Europas. Durch ihre Nutzer erzielen sie aber auf der ganzen Welt Wertschöpfung.

Die EU-Kommission etwa schätzt, dass Digitalfirmen im Schnitt etwa neun Prozent Unternehmenssteuern zahlen, klassische Betriebe aber mehr als 20 Prozent.

Die Lösungsansätze – auch innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – konzentrieren sich zunehmend auf zwei Bereiche: Der Verteilung von Besteuerungsrechten für Staaten sowie einer globalen Mindeststeuer, um die legale Steuerflucht in Steueroasen zu verhindern.

Bei Ersterem geht es darum, festzulegen, wo genau die Steuern bezahlt werden. Sprengkraft hat dabei vor allem die Frage, welcher Anteil an Gewinnen dort besteuert werden sollte, wo Kunden beziehungsweise Nutzer von Internetdiensten sitzen – und nicht dort, wo die Firmen ihre Sitze haben.

Neben der Frage der Steuergerechtigkeit geht es vor allem darum, einen Flickenteppich an internationalen Steuerregelungen zu verhindern. In Europa bahnt sich ein solcher mit Blick auf Digitalkonzerne bereits an.