1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Wirtschaft
  6. >
  7. Nackensteak auf Knopfdruck

Handel Nackensteak auf Knopfdruck

Allzeit bereit: Automaten. Längst können sie mehr als Schokoriegel, Instantkaffee und Zigaretten. Für kleine Händler ein Segen.

11.06.2019, 13:05

Hannover (dpa) l Zigaretten waren gestern: Inzwischen können sich Menschen in Niedersachsen auch Milch, Blumen oder Reifen aus dem Automaten ziehen. Dabei haben die Händler unterschiedliche Motivationen für den zusätzlichen Verkaufskanal.

"In unserem Automaten bieten wir hauptsächlich Sträuße, aber auch Pflanzen, Öle, Dips, Gutscheine und Dekoartikel an", sagt Monika Würdemann, Inhaberin des Blumenladens Floralitäten. Die im Februar in Betrieb genommene Maschine sei "super Werbung" für den Laden. Blumenautomaten kenne Würdemann noch aus ihrer Kindheit: "Sie sind aber nach und nach aus dem Stadtbild verschwunden." Als ein Automaten-Hersteller anfragte, sagte sie zu. "In der heutigen Zeit, wo man immer erreichbar sein darf, ist der Automat eine super Geschichte", sagte Würdemann. Die Nachfrage werde immer größer. Vor allem die jüngeren Menschen seien sehr interessiert. "Aber auch die ältere Generation zieht nach." Für die Produkte müssten Kunden zwischen 15 und 25 Euro bezahlen.

Seit April 2017 bietet der Wümmemelker-Betrieb direkt neben seinem Kuhstall Frischmilch auf Knopfdruck: Jederzeit können Kunden gekühlte Milch kaufen, die weder behandelt noch pasteurisiert ist. Ein Liter koste einen Euro, eine Flasche mit Hoflabel zwei Euro, sagt Hofbesitzerin Christa Puvogel. Kunden könnten selbst Behälter mitbringen und die Milch abzapfen oder Flaschen vor Ort erwerben. "Wir verkaufen im Schnitt 30 Liter am Tag", sagt Puvogel. Da sei noch Luft nach oben. Die Milchtankstelle werde jeden Tag gereinigt und neu befüllt. "Vielen gefällt, dass man sieht, wo die Milch herkommt und wie die Tiere gehalten werden", sagt die Milchbäuerin. Es sei ihr wichtig, mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten und sie über die Landwirtschaft aufzuklären. Kunden dürften die Kühe auch besuchen.

Die Fleischerei Grimsehl verkauft mit ihrem Automaten seit 2015 jedes Jahr von April bis September Produkte zum Grillen. Ob Bratwurst, Nackensteaks, Soßen oder Grillkäse – auf die Ladenpreise schlage der Betrieb einen kleinen Arbeitsaufwand auf, sagt Fleischer Maximilian Kehr. Das seien etwa Energiekosten. Mit den Öffnungszeiten der Discounter könne die Fleischerei nicht mithalten – da sei der Automat eine gute Alternative, sagt Kehr: "Die Kunden sind froh, dass sie auch nach Ladenschluss nicht auf nachhaltigen Fleischgenuss verzichten müssen." Vor allem bei sonnigem Wetter sei der Apparat sehr gefragt.

Kunstinteressierte können sich Bilder und Miniinstallationen aus einem Automaten in Hannover ziehen. Die Werke sind klein: maximal zwei mal fünf mal acht Zentimeter groß. Ein Objekt kostet vier Euro. "Es sind kleine Mitbringsel von Künstlern für kunstinteressierte Menschen", sagt Lars Kaiser, der in ganz Deutschland noch weitere der Automaten betreibt. Bundesweit sind es etwa 200. Die ersten Automaten ließ Kaiser, der auch Inhaber einer Kunstagentur ist, in Berlin und Potsdam aufstellen. Der Umsatz der Automaten falle sehr unterschiedlich aus: von zwölf Euro im gesamten Jahr bis hin zu 100 Euro im Monat. "Nach Abzug der Kosten für Kunst und Transport sind wir froh über einen schwarze Null", sagt Kaiser. Der Aufwand lohne sich dennoch: "Die Künstler haben über die Automaten schon Kontakte knüpfen und größere Werke Verkaufen können."

Damit eine geplante Radtour wegen einer Panne am Feiertag nicht ins Wasser fallen muss, hat das Fahrradgeschäft Enjoyyourbike zwei Schlauch-Automaten aufgestellt. Dort können sich Radfahrer Schläuche für Rennräder oder Mountainbikes ziehen – für acht Euro pro Stück. "Es ist eine super Sache, dass wir nicht an Öffnungszeiten gebunden sind", sagt Dan Miessen, Abteilungsleiter von Enjoyyourbike. Laut Continental, deren Fahrradschläuche in den Automaten verkauft werden, gibt es bundesweit 350 der Verkaufsmaschinen. "Die Automaten sind umgerüstete Zigarettenautomaten", sagt Klaus Engelhart von der Reifenfirma. Die Idee gehe auf einen Radhändler aus Kassel zurück.