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Hitze-Sommer Fluch und Segen für den Tourismus

Die Dauersonne brachte Hitze und Dürre. Waren die letzten Wochen eher Segen oder Fluch für den Tourismus in Sachsen-Anhalt?

11.08.2018, 23:01

Wernigerode/Naumburg/Havelberg (dpa) l Die Freizeit- und Tourismusanbieter in Sachsen-Anhalt haben in den Sommerferien vom stabilen Hochsommerwetter profitiert. Die Ausflügler und Urlauber passten ihre Pläne dem Wetter an und steuerten vor allem Ziele an, die Abkühlung erlauben, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. So konnte der Touristenmagnet Harz mit vielen Badeseen und Freibädern auf der einen Seite und dem vergleichsweise kühlen Brocken punkten. In Sachsen-Anhalt sind gerade die Sommerferien zu Ende gegangen. In anderen Bundesländern ist noch einige Wochen schulfrei.

Auch die Anbieter von Kanu- und Bootstouren im Saale-Unstrut-Gebiet melden mehr Nachfrage als sonst. Städte haben es schwerer, es sei denn, sie können mit besonderen Attraktionen locken. Und auch nicht alle Regionen mit besonderen Aktiv-Urlaubsschwerpunkten legten zu.

Neben den Urlaubern, die ihre Reisen in den Harz länger im Voraus gebucht hatten, seien auch viele spontane Kurzurlauber in das Mittelgebirge gereist, sagte eine Sprecherin des Harzer Tourismusverbandes. Die anhaltende Hitze habe den Effekt eher verstärkt als geschwächt. Es sei davon auszugehen, dass sich der erfreuliche Trend seit Jahresbeginn in der Region weiter fortsetze, sagte die Verbandssprecherin. Bisher sind die Gästezahlen bis Mai offiziell ausgezählt. Demnach begrüßte der Harz mehr als 421 000 Gäste (+4,9 Prozent). Bei den Übernachtungen ging es auf 1,12 Millionen (+7,4 Prozent) rauf.

Der Harz ist das beliebteste Reiseziel in Sachsen-Anhalt und zieht regelmäßig ein Drittel aller im Land gezählten Touristen an. Im Westharz wurden 5,7 Prozent mehr Gäste und 4,9 Prozent mehr Übernachtungen registriert.

Die 483 Meter lange Seilhängebrücke an der Rappbodetalsperre ist seit ihrer Eröffnung vor mehr als einem Jahr ein Besuchermagnet. Daran habe sich nichts geändert, sagte Betreiber Stefan Berke. "Merklich ist jedoch, wenn das Wetter zu warm ist, gehen die Touristen eher baden, anstatt unsere Events zu besuchen. Ein Fluch ist das aber nicht, wir sehen diesen Sommer eher als Segen.

Den  gegenteiligen Effekt spürt das Bergbaumuseum Lautenhals Glück bei Goslar. "Normalerweise haben wir in den Sommermonaten immer mal schwach besuchte Tage, doch durch die Hitze ist es jetzt anders", sagte Betreiber Christian Möhler. Der Grund heißt Abkühlung. In den Stollen herrschen das ganze Jahr über stabil 8 Grad Celsius. Statt der üblichen 60 bis 70 Besucher pro Tag seien es derzeit mit 150 bis 160 im Schnitt mehr als doppelt so viele. Die Gäste könnten mit der Grubenbahn einfahren und in Führungen viel über die früheren Arbeitsbedingungen im Bergbau lernen, sagte Möhler. Das ziehe auch viele Familien an.

Bei der Harzer Schmalspurbahn herrschte in den vergangenen Wochen Hochbetrieb. "So eine Wettersicherheit zu haben in Deutschland, das gibt es so gut wie nie", sagte Sprecher Dirk Bahnsen. Die Nachfrage sei sehr gut, die sieben Maschinen im täglichen Einsatz zögen gut gefüllte Züge. "Große Ausreißer erwarten wir trotzdem nicht. Wir sind mit jährlich 1,1 Millionen Fahrgästen an der Kapazitätsgrenze, auch weil wir auf der eingleisigen Strecke die Zugfrequenz nicht beliebig erhöhen können."

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Im Süden Sachsen-Anhalts dreht es sich touristisch hauptsächlich um den Wein und um Kunst und Kultur. "Uns hat das Wetter eher nicht in die Karten gespielt", sagte Karola Vogt vom Tourismusverband Saale-Unstrut. Städtetrips stünden bei Dauerhitze nicht ganz oben auf der Liste. Doch Naumburg hat einen Trumpf im Ärmel: Den frischgebackenen Welteerbe-Dom. Das Bauwerk mit seinen viel gerühmten Stifterfiguren zog in den Sommerferien 16 Prozent mehr Besucher an als im Vorjahreszeitraum, wie die Sprecherin der Vereinigten Domstifter sagte. Das sei vor allem dem anhaltenden Medien-Echo seit der Titelvergabe Anfang Juli zu verdanken. Doch auch der Dom verspreche mit 26 Grad eine Abkühlung im Hitze-Sommer.

Und auch die Anbieter von Wassertourismus auf Saale und Unstrut sehen eher die Sonnenseiten dieses außergewöhnlichen Sommers: "Wir sind an allen Wochenenden ausgebucht, weil zusätzlich zu den Urlaubern auch die Ausflügler kommen", sagte Jens Bellmann von Outtour in Kirchscheidungen. "Die Menschen verlassen sich auf das stabil gute Wetter, planen lange voraus und treten ihren Urlaub dann auch an." Es gebe "deutlich mehr" Buchungen. Mit 60 Booten biete sein Team Touren an oder vermiete sie. Die Routen nach Freyburg und Naumburg seien gefragt, die erste in diesem Sommer aber besonders. Sie sei kürzer und damit in der Hitze auch weniger anstrengend.

Andere sportliche Aktivitäten waren bei den Temperaturen eher etwas für Hartgesottene. "Wir merken, dass deutlich weniger Radfahrer vorbeikommen", teilte Manfred Hippeli seine Beobachtungen ganz aus der Region um avelberg und der Altmark. Der Kreischef des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) betreibt in Schönhausen das Lokal Güldene Pfanne. Der Radtourismus ist ein Schwerpunkt in der Region.

"Viele Radfahrer brechen eher ab und bleiben dann ein paar Tage am gleichen Ort. Das ist der extremen Hitze geschuldet." Der Gastronom musste wegen der ungewöhnlichen Temperaturen auch sein Angebot umstellen. Statt deftiger Hausmannskost gebe es kalte Gurkensuppe und Melone oder Salat statt Klößen, sagte Hippeli. Statt Bier seien die alkoholfreien Sorten sowie Wasser und Schorlen gefragt. Dementsprechend werbe er auch anders für sein Lokal: "Ich habe auf die Schilder am Straßenrand jetzt geschrieben, dass es Eiskaffee und kalte Gurkensuppe gibt. Das mache ich sonst nie."