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Insolvenz Scheitern und wieder aufstehen

Ein Magdeburger Mode-Unternehmer will sich von seiner Insolvenz nicht unterkriegen lassen. Über eine neue Kultur des Scheiterns.

03.10.2016, 23:01

Magdeburg l Manchmal kann es ganz schnell im Leben gehen. Die einen starten fast aus dem nichts durch, die anderen stürzen ab. Mode-Unternehmer Olaf Schuster gehört derzeit zu letzteren. Erst im April diesen Jahres hatte die Volksstimme sein Geschäft Stuff Fashion vorgestellt. Schuster verkaufte seinerzeit sehr erfolgreich ausgefallene, hochwertige Textilien, sowohl über einen Shop im Internet, als auch über seine Filiale in der Magdeburger Innenstadt. Schuster war so etwas wie ein Trendsetter – er war ein Beispiel dafür, wie es regionalen Modehändlern in Zeiten des Online-Shoppings gelingen kann, erfolgreich zu bleiben. Doch nur wenige Monate später ist die Stuff Fashion GmbH pleite.

Was ist passiert? Eine Anfrage lässt Schuster nicht lange unbeantwortet, er lädt ein in einen alten, sanierten Backsteinbau im Magdeburger Osten. Bis kurz nach der Wende gehörte der Bau zu einer Ölfabrik, die schließen musste. Jetzt arbeitet Schuster hier. Er kämpft gewissermaßen um einen Neuanfang. Der Grund für die Pleite von Stuff Fashion, sagt er, „war im Prinzip das Finanzamt“.

Die Firma habe Ware, die in europäische Nachbarländer geliefert wurde, steuerlich falsch deklariert. „Wenn wir Ware nach Australien geliefert haben, mussten wir diese nicht großartig versteuern, innerhalb der EU ist das jedoch anders – und das haben wir in der Buchhaltung nicht richtig berücksichtigt“, erläutert Schuster.

Das Finanzamt habe daraufhin eine Steuerrückzahlung von 120 000 Euro verlangt – für Stuff Fashion der Todesstoß. „Ich habe noch angeboten, monatliche Raten von 5000 Euro zu zahlen, doch die hätten wohl nur bei der doppelten Höhe zugestimmt.“

Allein die Finanzamtsforderung hätte wohl nicht zum Aus führen müssen, doch Schuster konnte in den vergangenen Jahren im umkämpften Modehandel keine größeren Rücklagen bilden, von denen er nun hätte zehren können. „Alles, was ich verdient habe, habe ich gleich wieder in mein Geschäft gesteckt; vor allem den Internethandel wollte ich weiter ankurbeln“, erzählt Schuster.

Die vergangenen Wochen seien für ihn nun die schlimmsten seines Lebens gewesen. Er musste die Firmen-Insolvenz beantragen, ein Verwalter hat Laden und Waren verkauft, um die Gläubiger zu bedienen. Mehr als zehn Jahre Stuff Fashion sind Geschichte. Ob oder wie viel Schuster womöglich noch aus eigener Tasche an Gläubiger zahlen muss, ist noch offen. Auf die „Endabrechnung“ wartet er noch.

Aufgeben, den Kopf in den Sand stecken will Schuster aber nicht. „Klar, ich hätte mich nach der Geschichte jetzt in ein Loch fallen lassen können – aber ich war immer Unternehmer, ein Kämpfer. Und ich bin erst 48 Jahre alt.“ In seiner größten Not ist ihm nun ein Hamburger Geschäftspartner und langjähriger Freund beigesprungen. Zwar ist das Stuff-Fashion-Geschäft Geschichte, aber die Marke Stuff und der Stuff Shop im Internet werden weiter existieren – unter dem Dach der HHMD-GmbH des Hamburger Geschäftsmannes Peter Kirchhoff.

Er hat Schuster sowie zwei weitere Mitarbeiter jetzt angestellt, ihnen die neuen Räume im Gewerbegebiet finanziert. „Für mich war es anfangs ein Tiefpunkt, jemanden um Hilfe bitten zu müssen – aber ich bin sehr dankbar, dass er ein Fan meiner Marke und meiner Geschäftsidee ist“, so Schuster. In den kommenden Monaten will der 48-Jährige die Stuff-Präsenz wieder ausbauen, im Gewerbegebiet ist er gerade dabei, den neuen Showroom für Kunden einzurichten. „Ich nenne ihn einen stationären Online-Shop“, erklärt Schuster. „Wir haben zwar keine Öffnungszeiten, aber die Leute werden jederzeit vorbeikommen können, wenn sie die Ware erst sehen wollen, bevor sie sie kaufen.“

So ein Neustart ist jedoch alles andere als leicht. Hier und dort wird er noch komisch angeguckt, erzählt Schuster. Anders als in den USA, müssen gescheiterte Unternehmer noch immer häufig mit Misstrauen und Häme leben. Nur langsam entwickelt sich auch in der deutschen Geschäftswelt die Erkenntnis, dass eine Insolvenz nicht per se etwas Ehrenrühriges sein muss.

„Meiner Meinung nach ist es grundsätzlich nicht schlimm, zu scheitern“, sagt auch Lucas Flöther, der bekannte Hallenser Insolvenzverwalter. „Die Frage ist natürlich, wie man scheitert.“ In Deutschland entwickele sich inzwischen eine vernünftige „Sanierungskultur“, so Flöther weiter. Unternehmer würden nicht mehr allzulang zögern, bevor sie Insolvenz anmelden. Das erhöhe die Chancen, die eine oder andere Firma mit Hilfe einer Sanierung zu retten.

Schuster sagt, ihm sei es wichtig, dass er abgesehen von den Schulden bei Finanzamt und Banken niemandem finanziell geschadet habe. „Ich hätte mir ja auch gewünscht, meine Firma sanieren statt pleitegehen zu lassen, aber das war nicht mehr möglich.“

Für seine neue Herausforderung sieht Schuster optimistisch in die Zukunft. „Meine Geschäftsidee im Bereich des Online-Handels war ja nicht falsch – deshalb werden wir jetzt den Weg weitergehen, den ich einst mit Stuff Fashion beschritten hatte.“ Der Handelsverband Deutschland (HDE) prophezeit dem Onlinehandel weiterhin ein starkes Umsatzwachstum. 2016 soll das Wachstum bei 11 Prozent liegen, mehr als 46 Milliarden Euro könnten deutschlandweit umgesetzt werden. Zum Vergleich: Vor sechs Jahren lag der Umsatz gerade einmal bei 23 Milliarden Euro. Vielleicht hat Olaf Schuster ja diesmal mehr Glück.