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Ladekabel Ein Stecker für alle Handys?

Noch 2020 könnte die EU-Kommission festlegen, dass Handys künftig einheitliche Ladebuchsen haben sollen.

Von Andrej Sokolow und Michel Winde 04.03.2020, 23:01

Brüssel (dpa) l Die EU-Kommission brütet gerade über einem Eingriff in den Elektronikmarkt mit weltweiter Wirkung – und möglichen Auswirkungen für fast jeden Haushalt in Deutschland. Soll sie strikt vorschreiben, dass Smartphones künftig eine einheitliche Ladebuchse haben müssen? Oder doch lieber eine weichere Lösung wählen?

Ein harter Kurs hätte zwei Dinge zur Folge: Die schnelle Dominanz des USB-C-Steckers, der sich gerade ohnehin in neuen Android-Telefonen ausbreitet – und einen Konflikt mit Apple. Der iPhone-Konzern will seinen hauseigenen Lightning-Anschluss behalten und hält die heutige Lösung, dass man Kabel mit verschiedenen Steckern in die Standardbuchsen der Ladegeräte stecken kann, für völlig ausreichend.

Die Ladegeräte-Frage schwelt in EU-Institutionen schon lange. Vor mehr als zehn Jahren brachte die Kommission das Thema erstmals auf den Plan. 14 Hersteller – unter ihnen auch Apple – einigten sich in einer Selbstverpflichtung auf einen einheitlichen Standard für Handy-Netzteile. Bei den Buchsen in Smartphones und Tablet-Computern blieben von einst mehreren Dutzend Typen noch drei übrig: USB-C, Apples Lightning sowie Micro-USB, das in Android-Smartphones früher Standard war, jetzt aber eher nur noch in günstigen Geräten vorkommt.

Das Europaparlament forderte die EU-Kommission nun auf, bis Ende Juli Vorgaben für einheitliche Ladetechnik in Handys, Tablets, E-Book-Readern und ähnlichen Geräten zu machen. Das solle für weniger Elektroschrott sorgen – und zugleich Nutzern das Leben erleichtern. Der freiwillige Ansatz habe die Erwartungen nicht erfüllt, heißt es auch aus der Kommission. Daher wolle man nun härter durchgreifen.

Zunächst einmal veröffentlichte die Kommission eine Studie, die ausführlich verschiedene Szenarien analysiert: Einheitliche Buchsen, die Koexistenz von zwei Systemen mit Adaptern, Verpflichtung lediglich zu kompatiblen Ladegeräten. Statt einer Handlungsempfehlung wird ein Pro- und Contra-Labyrinth präsentiert. „Es gibt keine optimale Lösung, alle Optionen haben ihre Nachteile“, schränken die Autoren ein. Am Ende laufe es auf eine „politische Entscheidung“ hinaus, die auch Risiken und Unsicherheiten in Betracht ziehen müsse.

In der Studie heißt es, dass die Kombination aus einheitlichen Buchsen an den Handys und kompatiblen Ladegeräten den meisten Komfort für Verbraucher biete. Doch das Ausmaß der positiven Umwelt-Effekte sei unklar. Zudem gebe es das Risiko, dass die Vorschrift künftige Innovationen bei der Entwicklung von Ladesystemen abwürgen könnte – auch wenn die Autoren das eher für eine theoretische Gefahr halten.

Das EU-Parlament verwies darauf, dass durch Ladegeräte 51 000 Tonnen Elektroschrott jährlich entstünden. Bisherige Absichtserklärungen rütteln allerdings nicht daran, dass neue Smartphones oder Tablets stets mit Ladegerät und Kabel verkauft werden – obwohl sich in den Haushalten immer mehr davon türmen.

Rein technisch gesehen bietet USB-C die Chance, erstmals mit einem einzigen Ladegerät und Kabel alle möglichen Geräte von Handys und Kameras über Smarthomse-Technik und Tablets bis hin zu Notebooks zu laden. Dafür müssen allerdings Chips an den Akkus und in den Ladegeräten untereinander abstimmen, wie stark der Ladestrom ist.

Die EU-Studie kommt deshalb zu dem Schluss, dass man bei der Ausweitung der Einheitslösung auf weitere Gerätekategorien vorsichtig vorgehen müsse, damit die Anbieter keine unnötigen Kosten hätten. Aus der Kommission heißt es zugleich, bei der weiteren Gesetzgebung könnte der Umfang erweitert werden – etwa auf Tablets oder E-Reader. Und da Hersteller Geräte nicht nur für eine Region bauen, würde ein Steckerzwang automatisch global greifen.

Apple argumentiert, dass eine Standard-Ladebuchse die Verbraucher mit der Zeit zwingen würde, im Haushalt vorhandene Lightning-Kabel zu ersetzen – und damit einen negativen Effekt für die Umwelt mit einer „beispiellosen Menge Elektroschott“ hätte. Zudem gibt der Konzern zu bedenken, dass sich weder Lightning noch USB-C etabliert hätten, wenn vor zehn Jahren wie geplant das technisch einfachere Micro-USB als Standard festgeschrieben worden wäre.

Apple hatte die iPhones 2012 auf Lightning umgestellt – zwei Jahre bevor USB-C auf den Markt kam. Neue iPhone-Ladegeräte haben bereits einen USB-C-Ausgang, auch wenn das Kabel mit einem Lightning-Stecker endet. Zugleich bekamen das iPad Pro und alle Macbooks inzwischen USB-C-Buchsen. Lightning-Buchsen nehmen etwas weniger Platz im Gerät ein, was dünnere Smartphones erlaubt.

Anec, ein europäischer Verband, der sich für Standardisierung einsetzt, hält den USB-C-Stecker als Norm für die beste Wahl. Eine Lösung mit Adaptern unterstützen die Verbraucherschützer ausdrücklich nicht. Zudem fordern sie, dass die Ladegeschwindigkeit harmonisiert werden sollte – dann entfiele auch ein Argument, warum jedem Handy ein Ladegerät beiliegen müsste.

Bei der Industriegruppe USB-IF heißt es, USB-C-Stecker blieben auf Jahre zukunftssicher, weil das Format noch auf mindestens einen großen Leistungssprung ausgelegt sei.

Was also wird die EU-Kommission tun? Die Brüsseler Behörde will im dritten Quartal 2020 einen Vorschlag vorlegen. Dabei könnte es auf einen sogenannten delegierten Rechtsakt hinauslaufen, über den die EU-Staaten und das Parlament anschließend nicht mehr verhandeln müssten. Dann könnte es ziemlich schnell gehen.