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Landwirtschaft Fisch und Salat aus der Stadt

Seit über 1000 Jahren nutzen Bauern in China Fische in Reisfeldern für eine effektivere Landwirtschaft. Deutschland machts nach.

05.03.2018, 23:01

Kassel (dpa) l Salat, Gemüse und auch Fisch frisch aus der Stadt, nachhaltig produziert – das ist keine Science-Fiction, sondern nennt sich Aquaponic. Diese Mischform aus Landwirtschaft und Fischzucht fristet in Deutschland bisher ein Nischendasein. Der Düngemittel- und Salzproduzent K+S sieht darin nun eine Anbaumethode mit Zukunft – und ein potenzielles Geschäftsfeld. In Kassel nahm der Konzern am Montag einen Aquaponic-Forschungscontainer in Betrieb.

„Die Weltbevölkerung wird wachsen und die zur Verfügung stehende Ackerfläche abnehmen“, sagt K+S-Vorstandschef Burkhard Lohr. „Natürlich müssen wir uns als Unternehmen, das Düngemittel anbietet, fragen, wie das unser Geschäft beeinflusst.“ Die Kalkulation des Konzerns: Nicht nur die Erdbevölkerung nimmt zu, auch die Städte werden größer. Deshalb sinkt die Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung. Um trotzdem genug Nahrungsmittel produzieren zu können, rücken neue Anbaumethoden in den Fokus.

Wie künftig Fisch gezüchtet sowie Gemüse und Salat angebaut werden könnten, zeigt K+S: Karpfen in einer Aquakultur und Pflanzen in einer Hydrokultur sind in einem Nährstoffkreislauf verbunden. Was die Fische ausscheiden, wird durch Bakterien aufbereitet und dient als Dünger für Pflanzen. Die Pflanzen reinigen im Gegenzug das Wasser der Fische. Die Vorteile: Weniger Dünger und weniger Wasser sind nötig.

Neu ist die Technik nicht. Darauf verweist auch der Biologe Ralf Fisch vom Bundesverband Aquaponic. Schon die Chinesen nutzten vor mehr als 1200 Jahren Fische in ihren Reisplantagen. Eine Studie hat gezeigt, dass die Reis-Erträge mit und ohne Fische von der Menge her gleich bleiben, aber schonender produziert werden können.

Das Grundprinzip hat sich bis heute gehalten. Allerdings ist die Umsetzung komplizierter. „Das Verhältnis von Fischen zu Pflanzen muss stimmen“, sagt der Experte. Werden Fische überfüttert und produzieren sie zu viele Stickstoffverbindungen, gehen die Pflanzen ein. Wegen Wissenslücken scheiterte Aquaponic daher oft: „In Europa sind 75 Prozent der Betriebe, die aufgemacht haben, pleitegegangen.“

Heute gebe es in Deutschland einige wenige mittelständische Betriebe, die sich am Markt hielten. Zudem seien Produkte aus einer solchen Herstellung nicht zwangsläufig gesünder. „Aquaponic kann man biologisch und konventionell betreiben“, erklärt Fisch.

Hierzulande gibt es bereits Aquaponic-Forschung. „Tomatenfisch“ etwa ist ein Projekt am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Dort hat man ein Verfahren entwickelt, mit dem Fisch und Tomaten nahezu emissionsfrei in einem Gewächshaus produziert werden können. Durch einen gesteuerten Austausch der Teilsysteme können Wachstumsbedingungen in einem System optimiert werden, ohne den Nährstoffgehalt im anderen zu beeinflussen. Werner Kloas, Professor am Leibniz-Institut, betont, dass die Grundlagen für eine Lebensmittelproduktion mit Aquaponic vorhanden sind. Allerdings müsse eine kritische Größe erreicht werden: „Es sollten schon 10.000 Quadratmeter sein – alles darunter ist eine Spielerei und erlaubt keine gleichmäßige und effiziente Produktion.“ Forschungsbedarf sieht Kloas noch bei der Steuerung und Sensorik.

Wie viel Geld K+S in die Aquaponic-Forschung investiert, verrät der MDax-Konzern nicht. Potenzial habe die Technik für K+S, weil Kalium und Magnesium dem Nährstoffkreislauf zugeführt werden müssten. Zudem habe man bereits vollwasserlösliche Düngemittel im Angebot, die man so optimieren wolle, dass sie für Aquaponic passen, sagt Alexa Hergenröther, Geschäftsführerin der K+S Kali GmbH.

Unter dem Strich sei Aquaponic aber nur ein Projekt bei der Suche nach neuen Märkten.