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Landwirtschaft Wie Hunde Schafe vor Wölfen schützen

Der Wolf ist in Sachsen-Anhalt eine Gefahr auch für Schafe. Spezielle Hunde sollen die Herden schützen.

Von Annette Schneider-Solis 10.11.2016, 23:01

Heteborn (dpa) l Die Herbstsonne taucht die bunte Landschaft des Harzvorlands in gelbes Licht. Bis Januar wird Helmut Lenz mit seinen 300 Schafen durch die hügelige Landschaft ziehen. Die Herde frisst sich gemütlich durch eine Streuobstwiese. Helmut Lenz wird von zwei Vierbeinern unterstützt: Der Hütehündin Nora, einer Harzer Füchsin, und dem Herdenschutzhund Athos, einem Kangalmischling. Während die Hündin die Herde dirigiert und auch mal zwickt, ist Athos ihr Bewacher. „Wie mein Kollege Kleemann immer so schön sagt: Der eine ist der Bodygard, der andere der Platzanweiser“, erklärt Helmut Lenz den Unterschied.

Lenz ist der zweite Vorsitzende des Vereins arbeitender Herdenschutzhunde. Mit der Rückkehr der Wölfe sind diese Hunde in seinen Augen unerlässlich. „Wolfsrisse haben dramatisch zugenommen“, sagt der Schäfer. „Gerade jetzt zum Winter hin wächst der Druck wieder.“ Im Frühjahr dagegen seien Jung- und vom Winter geschwächte Alttiere leichte Beute für Isegrim.

Zäune, egal wie hoch, können Schafe und Ziegen allein nicht schützen. Zumal für Wanderschäfer wie Helmut Lenz, die alle zwei Tage umziehen, 1,90 Meter hohe Zäune schlichtweg nicht handhabbar sind. Herdenschutzhunde bieten allein durch ihre Anwesenheit eine gewisse Sicherheit für die Tiere.

Der Wolf ist klug und geht den großen, kräftigen Hunden gewöhnlich aus dem Weg. „Er wird in seinem Jagdverhalten unterbrochen“, nennt das Helmut Lenz, der auch Mitglied der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe ist.

Die Preise für Herdenschutzhunde sind sprunghaft gestiegen. Ein ausgebildetes Tier kostet bis zu 5000 Euro. Brandenburg hilft den Schäfern deshalb bei der Anschaffung. In Sachsen-Anhalt gibt es das nicht.

Darum habe die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe einem Schäfer in der Altmark zwei Hunde übergeben, erzählt der zweite Vorsitzende Peter Schmiedtchen. „Dort hatte ein Wolf gelernt, Zäune zu überwinden und mehrfach Schafe gerissen. Wolfsschutz bedeutet für uns, den Schäfern zu helfen.“ Isegrim brauche keine Biosphärenreservate, sondern Akzeptanz. Die aber sinke mit jedem Angriff auf Nutztiere.

Peter Schmiedtchen bedauert, dass Sachsen-Anhalts Landesregierung so lange braucht, um zu reagieren. Die Richtlinie Wolf warte auch schon zwei Jahre auf die Überarbeitung. Ein Rechtsanwalt beschäftige sich gerade mit der Frage nach der Haftung, wenn ein Hund jemanden verletzt.

Helmut Lenz hat für Schäfer in Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt seit vorigem Herbst fast 20 Hunde zertifiziert. „Wir prüfen, wie gut der Hund sein Territorium annimmt. Ein guter Hund erkundet eine neue Fläche, setzt Duftmarken und akustische Signale durch Bellen“, beschreibt Helmut Lenz.

Zweites Kriterium sei das Aggressionsverhalten. Als Herdenschutzhunde werden große Rassen mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt eingesetzt wie Kangals, Kaukasen oder Pyrenäenberghunde. Die Tiere wachsen idealerweise unter Schafen auf und bewachen sie wie ihre Familie.

„Ein Herdenschutzhund muss funktionieren wie ein Hofhund“, erklärt Helmut Lenz. „Je besser er sein Revier annimmt, desto besser verteidigt er es. Er bellt so aggressiv, dass man denkt, er bringt einen um. Wenn man aber auf dem Hof ist, tut er einem nichts.“ Die Hunde dürfen Menschen nicht gefährden. Deshalb wird von den Bodyguards offensive Aggressivität gegenüber Wölfen und Hunden, aber defensive Aggressivität gegenüber Menschen erwartet. Denn gegenüber anderen Hunden müssen sie ihr Revier verteidigen.

„Deshalb ist es wichtig, dass Spaziergänger Hunde an der Leine führen und Abstand halten“, wirbt Helmut Lenz um Verständnis. Schließlich muss sich ein Herdenschutzhund in die Herde integrieren. Schafe oder Ziegen müssen ihn akzeptieren. Darin besteht oft das größte Problem, denn die Erfahrung der Weidetiere mit Hütehunden und deren Jagdtrieb sind mitunter schmerzhaft.

In Rumänien, wo der Wolf immer zu Hause war, findet man Herdenschutzhunde überall. Hierzulande wird das Wissen gerade wiederentdeckt. In Brandenburg hat das zuständige Ministerium den dortigen Verein für Herdenschutzhunde beauftragt, Hunde zu zertifizieren. „Dadurch wird die Gebrauchsfähigkeit der Hunde nachgewiesen“, erklärt Helmut Lenz.