Mode Es muss passen

Handschuhmacher fertigen das perfekte Fingerkleid. In Magdeburg hält eine junge Frau das Traditionshandwerk aufrecht.

Von Sabrina Gorges 04.03.2018, 23:01

Magdeburg (dpa) l Mit einem Stift umrundet Viktoria Wilkens in aller Ruhe die schmalen Finger der Kundin. Auf dem Maßblatt entsteht ein Handabdruck – der erste Schritt zum perfekten Fingerkleid. Dann kommen ein altes Maßband und ein Holzlineal zum Einsatz. Von den Händen der Kundin, die sich ein Paar leichte Lederhandschuhe fürs Cabriofahren anfertigen lassen möchte, nimmt die 34-Jährige mit allergrößter Sorgfalt Maß. „Genauigkeit ist in der Handschuhmacherei sehr wichtig“, sagt sie. „Die Fingerlängen, der Daumenabstand und das Handgelenk, das muss alles passen.“

Wilkens ist Inhaberin einer Handschuhmanufaktur in Magdeburg. Sie und ihr Team fertigen Ledermaßhandschuhe an – ein äußerst selten gewordenes Handwerk. Die junge Frau ist eine Quereinsteigerin, die das Handwerk der Handschuhmacherei von ihrem Großvater gelernt hat. Der wird im Juni 85 Jahre alte und hat das Unternehmen Handschuhschmidt 1955 gegründet. „Ich war als Kind oft in der Werkstatt“, sagt sie. „Ich habe schon als Baby auf dem Zuschneidetisch gelegen.“ Heute stehen an diesem Tisch Kunden aus ganz Europa und staunen.

Wilkens hat eine kaufmännische Ausbildung absolviert, zwei Jahre in ihrem Beruf gearbeitet und dann ihr Abitur nachgeholt. „Ich hatte mir irgendwie in den Kopf gesetzt, Chemie zu studieren“, sagt sie fast verlegen. Sie bricht dieses Studium ebenso ab wie das des Wirtschaftsingenieurwesens. „Vielleicht war es Schicksal, denn sonst würde ich heute kaum hier stehen und die Familientradition weiterführen.“

Mit Opa Claus Schmidt, einem Handschuhmachermeister, hatte sie eine Abmachung. Spätestens, wenn er 80 und sie 30 ist, soll sie das Geschäft übernommen haben. Am 1. Januar 2013 wurde es offiziell. Opa Claus und dessen Frau Christel stehen bis heute „auf Abruf“ bereit und helfen mit, wenn es die Auftragslage erfordert. „November bis Januar ist viel zu tun. Winterzeit ist eben Handschuhzeit.“ Sie stülpen dann zum Beispiel die Handschuhe zum Formen und Bügeln über spezielle Dressureisen.

2011 wurde der anerkannte Ausbildungsberuf „Handschuhmacher“ laut Handwerkskammer Magdeburg abgeschafft. Es gab so gut wie keine Ausbilder mehr und noch weniger Interessenten. Alles, was die 34-Jährige kann, hat sie von ihrem Großvater gelernt. „Es liegt einfach in der Familie. Mein Uropa war auch Handschuhmacher und mein Ur-Uropa war Weißgerber.“ Wenn sie die Zuschnitte macht, steht sie stundenlang und zieht das oftmals störrische Leder immer wieder über die Tischkante. Eine anstrengende Arbeit, die aber nötig ist. „Das Material muss zugunsten der perfekten Passform richtig ausgearbeitet werden.“

Das Zusammennähen der Fingerkleider übernehmen andere. An fast historischen Nähmaschinen bringen Handschuhstepperinnen die Teile zusammen. Wilkens beschäftigt zwei von ihnen.