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MRT für Kinder Vom Prototyp zum Medizinprodukt

Ein Magdeburger Unternehmen plant, komplexe MRT-Technik kompakt zu verbauen - um damit Kindern und Säuglingen Untersuchungen zu ermöglichen.

06.06.2017, 23:01

Magdeburg l Vier große Konzerne geben auf dem Markt für Magnetresonanztomographen den Ton an: Siemens, Philips, Toshiba und General Electric statten weltweit Krankenhäuser mit den medizinischen Großgeräten aus. Eine kleine Firma aus Sachsen-Anhalt will in ein paar Jahren etwas von dem Kuchen abhaben. Stefan Röll ist der Firmengründer von Neoscan Solutions. Der 50 Jahre alte Physiker würde das Ziel seines Unternehmens sicher weniger offensiv formulieren. Doch seine Idee hat Potenzial, um die Großen der Branche zu ärgern.

In einem Büro in der Altstadt beginnt der Angriff auf die weltweite MRT-Elite. Derzeit finden nur Eingeweihte das Zimmer, in dem Stefan Röll seit einigen Tagen arbeitet. Ein Firmenschild klebt noch nicht an der Tür. Auf einem Tisch hat Röll ein Notebook aufgeklappt, um sein Geschäftsmodell zu erklären. Dem Neu-Magdeburger ist es gelungen, einen Magnetresonanztomographen speziell für Säuglinge und Kinder zu entwickeln. Derzeit existiert das kompakte Gerät nur auf dem Computer. Ein Jahr hat Stefan Röll nun Zeit, die digitale Idee in der Realität zum Leben zu erwecken. Dann soll der Prototyp fertig sein.

Die Entwicklung ist ein Meilenstein. Den Großen der Branche ist es bisher nicht gelungen, die komplexe Technik in eine kompakte Apparatur zu integrieren. Herkömmliche MRT-Geräte nehmen in Krankenhäusern gleich mehrere Zimmer in Anspruch: Auf einer Fläche von 40 Quadratmetern stehen Sicherheitsraum mit Untersuchungs-Röhre, Technik-Zimmer und Bedienraum. Größter Nachteil: Einmal installiert, kann das medizinische Großgerät nur noch beschwerlich bewegt werden. Das lähmt viele Befunde, sagt Röll.

MRT-Untersuchungen seien auch bei schwerkranken Kleinkindern zur Diagnose vieler Krankheitsbilder wichtig, würden aber nur selten durchgeführt. „Der Transport in radiologische Abteilungen oder Praxen ist aufwendig. Die schlechte Versorgung auf dem Weg dorthin birgt zusätzliche Risiken für die schwächsten Patienten“, erklärt Röll.

Seine Erfindung soll in einigen Jahren direkt auf Kinderstationen eingebaut werden und so die Wege für Patienten verkürzen. Röll will es schaffen, die komplexe Technik auf eine Fläche von nur sechs Quadratmetern zu reduzieren. Nachdem der Prototyp fertig ist, sollen die Apparate in Magdeburg in Serie gefertigt werden. 20 Geräte plant Neoscan Solutions jedes Jahr zu bauen. Rund 35 Mitarbeiter will Stefan Röll perspektivisch in Magdeburg anstellen.

Mit seiner Idee will Röll auf dem Weltmarkt eine Nische besetzen. Die Marktlücke hat er während seiner beruflichen Laufbahn entdeckt. Röll hat mehr als zwei Jahrzehnte lang mit den Magnetresonanztomographen sein Geld verdient. Dabei konnte er beobachten, wie die Branchengrößen ticken. Bei Siemens kümmerte er sich zuletzt um die Entwicklung von MRT-Innnovationen. Davor steuerte er die Zusammenarbeit zwischen dem Konzern und universitären Forschungseinrichtungen weltweit. „Ich kenne die Technik, die Kunden und den Markt“, sagt Röll.

Das hat auch Investoren überzeugt. Neben Röll sind zwei Magdeburger Unternehmer Gesellschafter bei Neoscan Solutions. Karl Gehorld, Gründer des Energiedienstleisters Getec, und Klemens Gutmann, Geschäftsführer des Abrechnungsspezialisten Regiocom, haben ihren Geldbeutel geöffnet. Allein der Bau des Prototyps wird wohl einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag verschlingen. Die kompakten MRT-Geräte zur Marktreife zu bringen, dürfte weitere sieben Millionen Euro kosten. Um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen, hat auch die Investitionsbank Sachsen-Anhalt Fördermittel in Aussicht gestellt – vor allem für gemeinsame Projekte mit der Universität Magdeburg.

Röll wird es nicht schwerfallen, Kooperationspartner zu finden. Denn sein Unternehmen wird in den Forschungscampus Stimulate integriert (siehe Infokasten). Rund 50 Forscher und zahlreiche Unternehmen tüfteln hier an neuer Technik für bildgestütze Medizin. Forschungsinstitute arbeiten in Magdeburg Tür an Tür mit der Industrie, sagt der Vorstandsvorsitzender von Stimulate, Georg Rose. „Mit der Ansiedlung von Neoscan Solutions werden wir bald auch sichtbare wirtschaftliche Effekte für das Land generieren“, so Rose. Am morgigen Donnerstag wird Stefan Röll sein Unternehmen bei einer Veranstaltung auf dem Campus vorstellen. In einigen Wochen soll er dann ein Labor in der Experimentellen Fabrik beziehen und mit der Arbeit beginnen.

Die Teile für den Prototyp bezieht Röll von Zulieferern aus der ganzen Welt. Die weiteste Reise wird wohl ein supraleitender Draht auf sich nehmen: Das Teil stellt ein Unternehmen aus dem japanischen Osaka her. In Magdeburg wird Stefan Röll die asiatische Technik mit anderen Komponenten zum ersten kompakten MRT-Gerät verbauen.