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Neues Gesetz Gegen Ausbeutung im Schlachthof

In deutschen Schlachthöfen werden laut Kritikern osteuropäische Arbeiter ausgebeutet. Jetzt greift der Bundestag mit einem Gesetz ein.

04.06.2017, 23:01

Berlin/Osnabrück (dpa) l Den ganzen Tag über ziehen Kadaver an den Arbeitern vorbei, sie zerteilen die Tiere mit großen Sägen und anderen Werkzeugen im Akkord. Die Arbeit im Schlachthof ist laut und schweißtreibend. Es stinkt nach Blut und Chlor. Für diese Knochenjobs haben Schlachthöfe in Deutschland in vergangenen Jahren verstärkt Werkvertragsarbeiter aus Osteuropa eingesetzt, aus Polen, Rumänien, Ungarn oder Bulgarien.

Gewerkschafter, Kirchen und Politiker kritisieren seit langem die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Werkarbeiter. Sie sind nicht beim Schlachthof angestellt, sondern bei einem Subunternehmer, der die Arbeitskräfte in deren Heimat anwirbt, und ihnen in Deutschland auch ihre Unterkunft besorgt. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten schätzt, dass es rund 40.000 sozialversicherungspflichtige Jobs in den Schlachthöfen gibt. Wie viele Menschen davon Werkvertragsbeschäftigte sind, wird statistisch nicht erfasst. Aber es sind billige Arbeiter, die – so die Kritiker - nach Strich und Faden ausgebeutet würden.

Der Chef der Staatsanwaltschaft Osnabrück, Bernhard Südbeck, schildert drastische Verhältnisse bei Werkarbeitern. Die Ermittler könnten dort schwer eingreifen, weil etwa die nötigen Nachweise fehlten. Auf dem Papier arbeiten die Leute acht Stunden täglich für 1200 Euro im Monat, tatsächlich schufteten sie 15 Stunden am Tag und bekämen so viele Abzüge, dass ihnen am Ende unter Umständen noch 600 Euro zuzüglich Kindergeld blieben, schreibt Südbeck in einer Stellungnahme.

Noch vor der Bundestagswahl im Herbst hat die Koalition in Berlin nun ein Gesetz beschlossen, das der Ausbeutung einen Riegel vorschieben soll. Kernpunkte: Künftig können Schlachtunternehmen für Verfehlungen ihrer Subunternehmer in Regress genommen werden. Und Arbeitszeiten müssen genau dokumentiert werden.

Vorangetrieben hat das Gesetz ein christlich geprägter CDU-Sozialpolitiker aus dem Bundestag, Karl Schiewerling, der in seinem westfälischen Wahlkreis die Probleme stetig zugetragen bekommen hat.

Mit Unverständnis reagiert der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Ernährungswirtschaft, Michael Andritzky. Die Branche halte sich in weiten Teilen an eine Selbstverpflichtung, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Situation habe sich „gravierend und nachhaltig“ zum Vorteil der Werkarbeiter verändert.

Der katholische Theologe Peter Kossen bezeichnet die Selbstverpflichtung der Branche als Mogelpackung: „Es hat sich nicht wirklich etwas geändert.“ Kossen hat als Prälat im niedersächsischen Vechta jahrelang die Missstände in der Fleischbranche öffentlich angeprangert.

Das neue Gesetz gehe zwar in die richtige Richtung, aber notwendig sei ein Systemwechsel. Es gehe nicht an, dass es für das Kerngeschäft eines Schlachthofes nur 20 Prozent Stammbelegschaft und 80 Prozent Werkarbeiter gebe. Der Anteil der Werkarbeiter müsse gesetzlich begrenzt und die Kontrollmöglichkeiten der Behörden müssten verbessert werden. Zoll oder Gewerbeaufsicht müssten Sanktionsmöglichkeiten haben.

Einige Experten sehen die Situation nicht ganz so negativ wie Südbeck oder Kossen. „Es hat sich schon etwas gebessert, aber es ist noch nicht ideal“, sagt Daniela Reim, die für die DGB-Beratungsstelle „Arbeit und Leben“ osteuropäische Arbeitskräfte in Westniedersachsen berät. Pro Woche hat sie 20 bis 30 Fälle – oft gehe es um den Lohn, aber auch um soziale Beratung. Viele Subunternehmer seien einsichtig, aber es gebe eben noch schwarze Schafe.