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Ostprodukte Es war einmal die Ostmarke

Wenige Ostprodukte haben sich nach der Wende zu nationalen Marken aufgeschwungen. Viele Unternehmen setzen heute auf regionale Absatzmärkte.

Von Massimo Rogacki 02.11.2018, 00:01

Magdeburg l Aus einem Regal winkt Pittiplatsch, der Liebe. Es gibt Tempo-Bohnen, Komet-Eispulver und Salzwedeler Baumkuchen. Die bunte Warenwelt der DDR – auf der Ostpro in Erfurt hat sie überlebt. Heute beginnt die Verkaufsmesse. Mit 4000 bis 5000 Besuchern am Tag rechnet Ramona Oteiza, die Chefin vom Veranstalter Scott-Messen in den kommenden drei Tagen. Während über Zwischenhändler annähernd jedes liebgewonne Produkt erhältlich sein wird, sind viele Traditionsunternehmen nicht mehr mit eigenen Ständen vor Ort.

Ein Beispiel ist Vita Cola: „Wir sind nicht auf Ostmessen vertreten. Wir haben unsere Wurzeln in Ostdeutschland, lassen uns aber nicht gern auf eine reine Ostmarke reduzieren“, sagt Claudia Meincke, Seniormarkenmanagerin von Vita Cola. Vita Cola feiert in wenigen Tagen ihr 60-jähriges Bestehen. Das Produktsortiment wurde seit der Übernahme der Thüringer Waldquell Mineralquellen GmbH durch die hessische Hassia-Gruppe 2006 um Limonaden und Energy-Drinks erweitert. Der Absatz stieg in dieser Zeit von 50 auf über 80 Millionen Liter an. Neben Schmalkalden (Thüringen) gibt es zwei weitere Produktions- standorte in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.

Mittlerweile fällt bald die Hälfte der Geschichte von Vita Cola in die Nachwendezeit. „Einen Großteil der Erfolgsgeschichte haben wir in dieser Zeit geschrieben“, sagt Claudia Meincke. Auch deshalb will das Unternehmen längst keine Ostmarke mehr sein. Inzwischen sei vor allem die „regionale Verbundenheit“ für Vita Cola ein Erfolgsfaktor. In den ostdeutschen Ländern wird die Marke bei den Absatzzahlen nur von Coca Cola geschlagen, in Thüringen ist man sogar mächtiger als der amerikanische Branchenprimus.

Auch andere Unternehmen hören die Bezeichnung Ostmarke nicht mehr so gern, etwa „Kathi Rainer Thiele“ aus Halle. Das Unternehmen hat sich auf Backmischungen und Mehle spezialisiert. Mit knapp 28 Millionen Euro Umsatz entwickelt sich der Umsatz nach Unternehmensangaben stabil. Im Osten ist das mittelständische Familienunternehmen Marktführer, national die Nummer zwei – hinter Dr. Oetker. Viel Wert legt auch Kathi auf die „Verwurzelung in der Heimat“. Sprecherin Susen Thiele weiß, dass viele der Kunden mit den Backmischungen aufgewachsen sind.

Die Strategie für die Zukunft: „Wir möchten unsere starke Position im Osten behalten und ausbauen, gleichzeitig aber auch neue Kunden für uns begeistern“, so Thiele. Ostprodukt nein, Regionalität ja. So ließe sich die Ausrichtung vieler Unternehmen auf einen Nenner bringen. Auch die jüngste Mitteldeutsche Markenstudie des MDR zeigt, dass 47 Prozent der Verbraucher aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen die regionale Herkunft beim Kauf anspornt.

Einige wenige Marken wie Radeberger Bier oder Bautzner Senf sind national so erfolgreich, dass die Ursprünge in der DDR ohnehin zunehmend verblassen. Rotkäppchen hat mittlerweile seinen Nimbus als beliebteste Sektmarke der DDR auf dem gesamtdeutschen Markt bestätigt. Der Umsatz der Rotkäppchen-Mumm-Sektkellerei aus Freyburg in Sachsen-Anhalt stieg in den vergangenen fünf Jahren von 823 Millionen auf 945 Millionen Euro.

 Das Label Ostprodukt? Kaum mehr treffend. „Wir sehen uns als gesamtdeutsche Marke“, betont Pressesprecher Ulrich Ehmann. Zukünftig werden Unternehmen beim Verbraucher mit der Tradition der DDR-Produkte zudem immer weniger punkten können. „Gerade für Jüngere sind Ostmarken nicht mehr so emotional aufgeladen“, weiß Jürgen Maretzki, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule Magdeburg-Stendal. West- oder Ostmarke – das spiele in der Wahrnehmung der Verbraucher keine entscheidende Rolle mehr, so Maretzki.

Bei der Ostpro-Messe ist die gute alte Ostmarke hingegen noch längst nicht abgeschrieben. Die Besucherzahlen stimmen, im Frühjahr soll eine erste Messe in Halle stattfinden. Pittiplatsch ist sicher auch wieder dabei.