Ruhestand Der Macher geht von Bord

Nach 25 Jahren als Chef der Magdeburger Volksbank wechselt Helmut Seibert in den Ruhestand. Seine Bilanz kann sich sehen lassen.

Von Alexander Walter 31.03.2018, 01:01

Magdeburg l Die erste Begegnung mit Magdeburg hat Helmut Seibert bis heute nicht vergessen. 1992 war das. Seibert kam mit dem Zug aus Bremervörde. „Vom Bahnhofsvorplatz konnte man bis zur Elbe gucken", erinnert er sich. Weltkriegsbomben und DDR hatten viel Raum für Neues hinterlassen. Es war ein flüchtiger Besuch auf dem Weg zu einem Termin in Burg. Dass er schon wenig später hier Bankchef sein würde, ahnte der gebürtige Westerwälder nicht. Doch genau so sollte es kommen, ein Jahr später klingelte das Telefon: „Können Sie sich vorstellen, die Volksbank in Magdeburg zu leiten", fragte sein Gegenüber.

Und ob der ehrgeizige Finanzfachmann konnte, seit der Lehre brannte er für die Genossenschaftsidee. Es waren Jahre des Aufbruchs, die Aufgabe reizvoll: Es galt, eine der größten Volksbanken im Land neu aufzustellen. Wie die Stadt war auch die Bank ein Ort der Gegensätze. Reich an Tradition und mit repräsentativem Sitz am Breiten Weg, war das Geldhaus innerlich angeschlagen. „Wir hatten Sorgen durch Kreditausfälle", erzählt Seibert. Es galt Klartext zu reden, Ordnung zu schaffen und bei alldem die Mitarbeiter mitzunehmen.

Seibert hatte Erfolg und fand Gefallen am Job. Der Finanzfachmann trennte faule Kredite vom guten Geschäft. „Ursprünglich hatte ich nicht vor zu bleiben", räumt er ein. Doch schon bei der ersten Vertragsverlängerung nach fünf Jahren habe er nicht mehr nachdenken müssen. Drei weitere Verlängerungen sind inzwischen hinzugekommen. Zum 1. April nun endet die Dienstzeit von Seibert. Nach 25 Jahren als Chef der Volksbank Magdeburg wechselt er in den Ruhestand.

„Heute geht es dem Bankhaus gut", sagt der Westerwälder. Das lässt sich mit Zahlen unterlegen: Parkten Kunden 1993 noch 202 Millionen Euro auf Konten der Magdeburger Volksbank, waren es zuletzt fast 475 Millionen.

Auch bei den Kundenkrediten zeigt die Kurve nach oben, im Fokus neben Privatkunden die regionale Wirtschaft. Das Volumen stieg von 120 Millionen Euro (1993) auf zuletzt 585 Millionen Euro. Auch dank des guten Geschäfts konnte die Bank die Eigenkapital-Basis erhöhen, sie stieg von 7,2 Millionen auf 82 Millionen Euro.

Ohne Reibung ging all das indes nicht. Um die Zukunft des Geldhauses zu sichern, mussten Seibert und seine Mitarbeiter weitreichende Entscheidungen treffen. So ging die Bank in den 1990er Jahren zunächst mit der Volksbank Wolmirstedt zusammen, bald auch mit der Volksbank Schönebeck. Veränderungen brachte auch die Digitalisierung: Weit mehr als 70 Prozent der Kunden nutzen heute vorzugsweise PC oder Handy für Bankgeschäfte. Früher als andere stellte sich die Magdeburger Volksbank auf den Trend ein. Mehr als 2,5 Millionen Euro investierte sie seit 2012 in neue Technik – Bankautomaten, Überweisungsterminals.

Sechs Standorte wurden zu reinen Selbstbedienungs-Stellen, die Hauptfilialen im Breiten Weg sowie in Schönebeck und Wolmirstedt wurden für Beratungen personell verstärkt. Die Umstrukturierungen sorgten für Unruhe in der Belegschaft. 16 von 160 Stellen fielen weg.

„Das alles ist sozialverträglich über Befristungen und Altersteilzeit-Lösungen geschehen", sagt Seibert heute. Wenn er morgen geht, verlässt der Chef ein gut bestelltes Haus. Nachfolger ist mit Uwe Fabig ein erfahrener Kollege. Wie Seibert ist er seit fast 25 Jahren im Vorstand aktiv. Komplettiert wird der neue Vorstand durch den bisherigen Generalbevollmächtigten Ulrich Schmidt.

Herausforderungen gibt es auch für sie genug. Unter den 915 eigenständigen Genossenschaftsbanken bundesweit ist das Magdeburger Institut unterdurchschnittlich groß, liegt bei der Bilanzsumme nur auf Rang 328. Die Bank sei deshalb offen für Fusionen mit Nachbarinstituten etwa im Jerichower Land, Börde oder Altmark, sagt Fabig. Konkrete Pläne aber gibt es noch nicht.

Der scheidende Chef hofft, dass der Sprung in die neue Zeit gelingt, oder wie er es sagt: „Dass die Saat Frucht bringen wird." Ob es so kommt, wird er aus nächster Nähe beobachten können. Mit Frau und Familie lebt er im Stadtteil Stadtfeld – und er will bleiben.

Tatsächlich ist der Zugbesucher von einst längst in Magdeburg angekommen. Dom, Hundertwasserhaus, Hegelstraße – die Stadt habe heute so viel zu bieten, schwärmt er. Daran hat der Banker, der nebenbei großer Kulturliebhaber ist, keinen geringen Anteil: So hat er sich für die inzwischen geglückte Sanierung der Domorgeln engagiert. Auch bei seinem Abschied am 7. Mai bleibt Seibert dieser Linie treu: Statt Geschenken bittet er um Spenden für den Neubau der Magdeburger Synagoge.