Starke Frauen Alte Heimat, neuer Beruf

Die Volksstimme stellt starke Frauen vor, die als Selbstständige erfolgreich sind. Heute: Sandra Fischer, Chefin von Q-Fin in Magdeburg.

29.12.2016, 23:01

Magdeburg l Vor zehn Jahren wollte Sandra Fischer aufgeben und ihrer Heimatstadt ein zweites Mal den Rücken kehren. Dann trudelte doch noch ein Job-Angebot ein. Sandra Fischer sollte die Buchhaltung einer Softwarefirma übernehmen, zunächst als Elternzeitvertretung. Sie sagte zu. Heute ist die gebürtige Magdeburgerin Geschäftsführerin dieses Unternehmens, das Q-Fin heißt und Programme für die Finanzwirtschaft entwickelt und betreut.

Die persönliche Geschichte der gelernten Hotelfachfrau ist erstaunlich und beginnt, als sie Magdeburg zum ersten Mal verlässt. Sandra Fischer spürt kurz nach dem Fall der Mauer den Drang, zu gehen. Die junge Frau will raus aus der Stadt, in der sie aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Sandra Fischer blättert in der Zeitung und sucht nach einer Ausbildungsstelle. Ein Hotel aus Baden-Württemberg hat inseriert. Wenig später zieht sie nach Freiburg und beginnt in dem gutbürgerlichen Haus „Deutscher Kaiser“ eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Im südlichsten Zipfel Deutschlands, weit weg von zu Hause, lernt Sandra Fischer, auf eigenen Füßen zu stehen. Drei Jahre lang drückt die junge Frau die hölzerne Bank in der Berufsschule, reinigt als Zimmermädchen die Hotelräume, serviert im Restaurant, empfängt Gäste und erhält Einblick in die Buchhaltung. „Ständig mit Anforderungen und Wünschen konfrontiert zu werden, hilft mir noch heute in Gesprächen mit Kunden und Mitarbeitern“, sagt Fischer, die mittlerweile 46 Jahre alt ist.

30 Mitarbeiter hören bei Q-Fin auf ihr Wort und das ihres Geschäftsführer-Kollegen, mit dem sie sich die Leitung des Unternehmens teilt. Fischer ist keine strenge Chefin. Ihre Angestellten genießen auch Freiheiten. Aber Fischer weiß, was sie will und was das Unternehmen braucht. Die Frau mit den braunen Augen ist eine gute Beobachterin. „Ich bin sehr lange ruhig und verständnisvoll. Aber wenn ich merke, meine Vorstellungen kommen nicht an, kann ich auch konsequente Entscheidungen treffen“, sagt Fischer über sich selbst. Dennoch legt die Mutter von zwei Kindern Wert auf eine Wohlfühl-Atmosphäre im Unternehmen. Ihre Mitarbeiter sollen gerne zur Arbeit kommen, aber auch mal von zu Hause aus an den Programmen feilen dürfen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig für Sandra Fischer.

Als sie 2001 nach Magdeburg zurückkehrte, hatte sie sich gerade von ihrem Mann getrennt. In ihrer alten Heimat wollte sie Sorgen vergessen, noch mal neu anfangen. Beruflich und privat. Ihre Kinder gingen in die Grundschule. Nachmittags übernahmen auch mal Oma und Opa die Betreuung. Sandra Fischer arbeitete an ihrer Karriere, übernahm zunächst die Buchhaltung in der Autovermietung ihres Vaters, später dann bei Q-Fin. Nebenbei studiert sie berufsbegleitend Betriebswirtschaft. „Dabei habe ich festgestellt, dass ich theoretische Themen schon längst im Arbeitsalltag lösen konnte“, erklärt Fischer rückblickend.

Heute sitzt Sandra Fischer an ihrem Schreibtisch. Vor ihr liegen neue Projekte. Fischer richtet das Unternehmen für die Zukunft aus. Bald fusioniert Q-Fin mit der Firma Fimas aus Eschborn bei Frankfurt am Main. Sandra Fischer will Kompetenzen bündeln: Q-Fin ist stark bei Verwaltungssoftware, die Banken und Versorgungskassen bei Anlagen auf dem Kapitalmarkt unterstützt. Die Mitarbeiter in Magdeburg entwickeln Programme, helfen aber auch Kunden, die im Daten-Dickicht den Überblick verloren haben. Die Auftraggeber von Fimas bewegen sich vorwiegend auf dem Frankfurter Börsenparkett. Das neue Unternehmen soll Confinity heißen und den Hauptsitz in Magdeburg haben. Fischer und ihre Kollegen peilen einen Jahresumsatz von bis zu sechs Millionen Euro an. Anfang des neuen Jahres soll der Zusammenschluss über die Bühne gebracht werden.

Die bevorstehende Fusion ist nicht die einzige Baustelle im Leben von Sandra Fischer. Privat liegt ihr Fokus auf einem Fachwerkhaus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut, ist es nun stark renovierungsbedürftig. Sandra Fischer hat auch bei diesem Projekt ein klares Ziel: Im Laufe des neuen Jahres soll das alte Gebäude fertig saniert sein.