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Startups Vibrator ohne Schmuddel-Image

Sie verkaufen sogar vernetzte Vibratoren mit Wlan: In Berlin krempeln junge Gründer eine Branche gehörig um.

Von Sarah Lena Grahn 18.08.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Eine große Fabriketage im Berliner Wedding, hell und durchdesignt, ein Mops sitzt herum, mitten im Raum hängt eine Schaukel. Was dieses Startup-Office von den vielen anderen in der Hauptstadt unterscheidet: Die Mitarbeiter entwickeln keine Musik-Streaming-Dienste oder Online-Games – hier geht es um Sex.

Amorelie verkauft Vibratoren, Liebeskugeln, leichtes Bondagezubehör und Dessous – Lovetoys nennt das Team um Gründerin Lea-Sophie Cramer die Produkte liebevoll. Das Startup gehört zu einem noch kleinen Kreis von jungen Unternehmen, die eine Branche revolutionieren, deren Bild jahrzehntelang vor allem durch schmuddelige Videokabinen in zwielichtigen Läden geprägt war.

„Unsere Zielgruppe sind wir selbst“, sagt die 29-jährige Amorelie-Chefin Cramer. „Frauen, Männer und Paare meiner Generation, die von den klassischen Händlern in ihrer Produktauswahl und ihrem Marketing vergessen wurden.“ Was Amorelie anders macht? „Wir erklären etwa den Unterschied zwischen Vibrator und Dildo“, sagt Cramer. Ein Vibrator hat einen Motor, ein Dildo nicht. Viele Kunden schrecke es zudem ab, wenn ein Vibrator einem echten männlichen Geschlecht nachempfunden sei. Die online verkauften Produkte sind pink, lila oder hellblau.

Während Amorelie die Produkte zunächst nur verkauft, gehen andere Gründer in den Herstellungsprozess und verbinden Erotik mit Elektronik. Das Londoner Sex-Technologie-Startup Mystery Vibe etwa hat einen über eine App steuerbaren Vibrator herausgebracht. Für Cramer liegt darin die Zukunft: „Produkte, die über W-Lan miteinander kommunizieren und zwei Menschen auch von Paris nach New York miteinander verbinden können.“

Während sich die Pornoindustrie überwiegend an den Vorlieben des Mannes orientiert, spricht Amorelie gezielt Frauen und Paare an. Rund vier Jahre, nachdem das Unternehmen von Cramer und ihrem Geschäftspartner Sebastian Pollok gegründet wurde, liegen die Umsätze im zweistelligen Millionenbereich.

Kenner sehen großes Potenzial in dem Geschäft, das die sexuelle Lust neu justiert. „Wir reden über die Branche mit dem größten Traffic im Internet und sehr relevanten Umsätzen“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Startups, Florian Nöll. Der Markt biete durchaus noch viel Platz für andere Anbieter. „An das Thema trauen sich meiner Einschätzung nach aber wenige ran“, sagt Nöll. Auch Banken können Probleme verursachen.

Es sei wahnsinnig schwer, für ein Sex-Startup Geld bei Banken oder Investoren zu sammeln, sagt die in New York lebende Macherin der Website „MakeLoveNotPorn“, Cindy Gallop.

Bei Gründern löst die Bezeichnung „Sex-Unternehmen“ eher Unbehagen aus. Pia Poppenreiter möchte explizit nicht, dass ihre App mit Sex in Verbindung gebracht wird. Ohlala vermittelt bezahlte Dates. Das funktioniert so: Männer beschreiben, was sie wann suchen und wie viel Geld sie dafür bezahlen möchten. Interessierte Frauen können sich daraufhin binnen 21 Minuten vorstellen, der Mann wählt aus. „Wir wissen nicht, was während eines Dates passiert“, erklärt Poppenreiter. Das bleibe privat.

Amorelie-Gründerin Cramer verortet ihr Startup im Bereich Lifestyle und Schönheit. „Für uns ist Sexualität nicht das eine herausragende Element, sondern ein ganz normaler Baustein in unserem Leben“, sagt sie. Diese Offenheit habe geholfen, unproblematisch Investoren zu finden und Amorelie nach nur zwei Jahren mehrheitlich an den Medienkonzern ProSiebenSat.1 zu verkaufen.