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Verhandlungen Brexit wirft Stendaler Firma zurück

Ein Beispiel dafür ist Stendaler Prüftechnik-Hersteller Zorn Instruments. Eventuell müssten sich die Altmärker von der Insel zurückziehen.

Von Steffen Honig 08.11.2018, 00:01

Magdeburg/Stendal l Thorsten Hildebrand kommt herum in der Welt. Als Vertriebsleiter von Zorn Instruments hält er Kontakt in 80 Länder, die zum Kundenkreis des Stendaler Unternehmens gehören. Es liefert Hochpräzisionstechnik für Prüfverfahren im Straßenbau, in der Zuckerindustrie oder in Laboren. Der altmärkische Familienbetrieb, mittelständisch mit 40 Mitarbeitern, verkauft seine Geräte in die USA und nach Russland genauso wie nach Nigeria und Indien.

Und nach Großbritannien. Dort, sagt Thomas Hildebrand, bieten zwei Vertragshändler – in Wales und in der Nähe von London – Zorn-Produkte an. Mit Erfolg. Bei Ausbau und Sanierung des überalterten britischen Schienennetzes ist die Präzisionstechnik des Weltmarktführers aus Stendal hoch willkommen.

Seit klar ist, dass Großbritannien die Europäische Union verlassen wird, läuft ein großes Rätselraten. Darüber, wie es weitergehen wird. Bei einem weichen Brexit änderte sich auch für Zorn Instruments nicht viel. Gibt es keinen Deal zwischen London und Brüssel, wäre die Zollunion passé. Hildebrand: „Wenn die Grenze plötzlich zu sein würde, wäre nichts geregelt.“

Das bedeutete ein Ende der Geschäfte – zumindest zeitweise. Weil die Lieferketten neu gestaltet und die Zollabwicklung organisiert werden müsste. Prüfgeräte müssen regelmäßig kalibriert und dafür nach Deutschland gebracht werden. Schon jetzt machten sich gewisse Lähmungserscheinungen in der britischen Wirtschaft bemerkbar, berichtet der Vertriebsleiter. Von „Brexit-Fatigue“ (Brexit-Müdigkeit) sei die Rede: „Es ist schon seit einem Jahr schwer, neue Projekte anzuschieben. Wir wollten uns mit einem neuen Prüfstandard für den Straßenbau befassen. Das ist inzwischen völlig eingeschlafen.“

Großbritannien sei ohnehin kein einfacher Markt, erklärt Vertriebsleiter Hildebrand: „Die eigene Normierung macht es schwierig, ein Festlandsprodukt einzuführen. Das reicht von anderen Steckdosen bis zum Linksverkehr. Dazu kommen die traditionellen Kursschwankungen zwischen Pfund und Euro. Die können bis zu 20 Prozent ausmachen.“

Zorn Instruments ist in der glücklichen Lage, nicht vom britischen Markt abhängig zu sein. „Es wäre ärgerlich, wenn das Geschäft dort völlig einbrechen würde“, so Hildebrand, „der Markt in Großbritannien ist wichtig. Aber angewiesen sind wir letztlich darauf nicht.“

Bei einem ungeordneten Brexit prophezeit Hildebrand eine heftige Trotzreaktion der Briten. Das Königreich, das keinen eigenen Maschinenbau und keine Stahlindustrie mehr habe, werde versuchen, es den Europäern wieder mit eigenen Produkten zu zeigen. Im globalen Dienstleistungszentrum Großbritannien würde sich der Nationalismus breitmachen.