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Supermärkte Schlamperei mit Schimmel-Obst

Supermärkte müssen schimmliges Obst aus dem Verkauf nehmen. Doch ein Volksstimme-Test zeigt: Oftmals bleibt das Gammel-Obst liegen.

29.07.2016, 23:01

Magdeburg l Sommerzeit – das ist die Zeit für süße Erdbeeren, knackige Nektarinen, saftige Pfirsiche. Doch in so manchen Supermärkten kann der Verbraucher schnell die Lust am vermeintlich frischen Obst verlieren. In sieben von insgesamt 18 besuchten Filialen in Magdeburg ist die Volksstimme auf verschimmeltes Obst in der Auslage gestoßen, statistisch also in gut jedem dritten Markt.

Mit jeweils zwei Märkten betroffen waren Rewe und Lidl. Eine der Rewe-Filialen hatte eine Nektarine im Angebot, die offensichtlich schon mehrere Tage gammelte. Etwa ein Drittel von ihr hatte sich bereits braun gefärbt, am Stil breitete sich schwarz-weißer Schimmel aus. Neben der Nektarine hatte der Markt Plattpfirsiche in Plastik verpackt zu bieten, auf denen sich ebenfalls bräunliche Schimmelablagerungen gebildet hatten. In einem der betroffenen Lidl-Märkte wurden in mehreren Plastikkörbchen nicht nur matschige, sondern mit weißem Schimmel überzogene Erdbeeren angeboten.

Jeweils ein Mal negativ im Volksstimme-Test abgeschnitten haben Edeka sowie die beiden Netto-Handelsketten aus Deutschland und Dänemark (mit Hund im Logo). Äußerst unappetitlich waren aber auch hier die Funde: In der Filiale der dänischen Netto-Kette fand sich gleich eine ganze Kiste voll mit abgepackten verschimmelten Physalis-Früchten. Die andere Netto-Kette hatte faulige Kiwis im Angebot, auf denen sich bereits eine ganze Kolonie Obstfliegen niedergelassen hatte.

Keine Beanstandungen gab es bei Aldi und Penny. Alle fünf besuchten Märkte waren sauber, das Obst war einwandfrei.

Die nach dem Test von der Volksstimme angefragten Ketten Rewe, Lidl und Edeka bedauerten die Funde. Alle drei Ketten verwiesen auf strenge, hausinterne Qualitätskontrollen. Gerade bei leichtverderblichem Obst wie Erdbeeren oder Nektarinen seien die Mitarbeiter angewiesen, mehrmals am Tag zu kontrollieren. „Selbstverständlich werden wir unsere Mitarbeiter in den Filialen nochmals dahingehend sensibilisieren“, so ein Lidl-Sprecher. Rewe und Edeka verweisen zudem darauf, dass sie ihr Personal auch regelmäßig schulen würden.

Bleibt die Frage, ob es sich bei den nicht repräsentativen Testergebnissen um Zufallsfunde handelt. Doch dies ist nach Volksstimme-Recherchen offenbar nicht der Fall. Die Gesundheitsbehörden der Stadt Magdeburg haben 2015 rund 450 Kontrollen in Supermärkten durchgeführt, bei 126 Besuchen kam es dabei zu Beanstandungen. Das entspricht einer Quote von 28 Prozent.

Allerdings mussten die Märkte nur selten mit Konsequenzen leben, lediglich in einem Fall gab es 2015 nach Angaben der Stadt „formelle Maßnahmen“, zu denen Verwarnungen, Bußgelder und Anzeigen zählen können. Auch in den Vorjahren bewegten sich die Fallzahlen zwischen zwei und sieben.

Eine recht hohe Quote von Beanstandungen haben auch Behörden andernorts in Sachsen-Anhalt vorzuweisen, wobei sich die Untersuchungen in der Regel nicht nur auf Obst, sondern auch auf die Sauberkeit der Märkte und die Einhaltung hygienischer Vorschriften beziehen. Insofern konnten die Behörden nicht im Detail erläutern, wie oft es dabei um Gammelobst ging.

Der Salzlandkreis hat im vergangenen Jahr 218 Kontrollen in Supermärkten durchgeführt und hat 64 Mal hygienische Mängel attestiert. Das entspricht einer Quote von 29 Prozent. Hier wurden die Prüfer somit fast in jedem dritten Markt fündig. Der Altmarkkreis Salzwedel kam auf 156 Kontrollen und 28 Verstöße und somit auf eine Quote von rund 18 Prozent. Der Landkreis Jerichower Land führte nach eigenen Angaben 134 Kontrollen im ersten Halbjahr 2016 durch und zählte sieben Beanstandungen. Vergleichsweise weniger Kontrollen führte der Harzkreis durch, er kam in den vergangenen sechs Jahren insgesamt auf nur 431 Kontrollen, hat aber trotzdem in 108 Fällen Beanstandungen dokumentiert, was einer Quote von rund 25 Prozent entspricht. Das ist immer noch jeder vierte Markt.

Insgesamt fällt auf, dass die Überwachung der Hygiene in Supermärkten weitgehend Sache der Kommunen ist. Landesbehörden wie das Landesverwaltungsamt führen keine kreisübergreifenden Statistiken über Hygienemängel. Und auch, wenn die Vorschriften für Kontrollen weitgehend gesetzlich geregelt sind, so gibt es von einer Kommune zur anderen in der Praxis Unterschiede bei den Prüfungen.

Einblicke in Prüfergebnisse verwehrt hat der Landkreis Stendal. Er nannte weder die Anzahl der Prüfungen noch die Zahl von Beanstandungen. Der Kreis verwies lediglich darauf, dass die Märkte alle 1,5 bis zwei Jahre geprüft würden und es keine Häufungen von Verstößen in den vergangenen Jahren gegeben habe.

Einerseits wurde argumentiert, die Zahlenreihen seien nicht belastbar, da neben Obst eben unter anderem auch Fleisch- und Milchprodukte etwa auf Listerien getestet und die Befunde nicht extra statistisch vermerkt worden seien.

Andererseits fügte der Landkreis ein weiteres bemerkenswertes Argument an: Verdorbenes Obst sei kein bedeutsames Hygienerisiko, „da der Verbraucher diese Produkteigenschaft selbst erkennt und bei seinem Kauf berücksichtigt“. Die meisten Fälle würden die Kunden dem Supermarkt selbst melden.