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VW-Abgasskandal Der erste Schritt zur Sammelklage

Der VW-Skandal hat gezeigt, wie machtlos europäische Verbraucher im Kampf gegen Riesenkonzerne sind. Die EU-Kommission will das ändern.

11.04.2018, 23:01

Brüssel (dpa) l Sammelklagen, höhere Strafen gegen Unternehmen, mehr Transparenz bei Online-Käufen: Die EU-Kommission will die Rechte europäischer Verbraucher stärken. „In einer globalisierten Welt, in der Großunternehmen einen riesigen Vorteil gegenüber den einzelnen Verbrauchern haben, müssen wir wieder Chancengleichheit herstellen“, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova am gestrigen Mittwoch in Brüssel. „Betrügen darf nicht billig sein.“ Die entsprechenden Gesetzesvorschläge sind auch eine Folge des VW-Abgasskandals mit Millionen Geschädigten, die in Europa bislang kaum Entschädigung erhalten haben. Ein Überblick über die Pläne:

In Fällen mit vielen Geschädigten in mehreren EU-Staaten sollen künftig Sammelklagen möglich sein. „Qualifizierte Institutionen“ wie Verbraucherverbände könnten dann stellvertretend für die Geschädigten gegen Unternehmen auf Unterlassung und Schadenersatz klagen. Auch außergerichtliche Einigungen sollen möglich sein. Das Entstehen einer Klageindustrie wie in den USA will die EU-Kommission verhindern, indem nur Non-Profit-Organisationen – und keine Anwaltskanzleien – im Namen der Verbraucher klagen dürfen. Die deutsche Regierung plant mit der Musterfeststellungsklage derzeit ein ähnliches Instrument.

„Das Machtgefälle zwischen Großunternehmen und Verbrauchern wird in Europa ein Stück kleiner“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Auch SPD-Politiker begrüßten den Vorschlag. Die Wirtschaft warnte hingegen vor dem Entstehen einer Klageindustrie nach US-Vorbild.

Bislang waren die Höchststrafen, die nationale Verbraucherschutzbehörden gegen globale Unternehmen in Fällen wie dem VW-Dieselgate verhängen konnten, wenig abschreckend. Brüssel will das ändern und plant bei unlauteren Geschäftspraktiken Strafen von vier Prozent des Jahresumsatzes im jeweiligen Land. Die EU-Staaten könnten auch höhere Auflagen verhängen.

Wer auf Online-Marktplätzen wie Ebay oder Amazon einkauft, soll besser informiert werden, ob er Geschäfte mit einem Händler oder einer Privatperson macht – danach richten sich schließlich die Rechte des Verbrauchers. Außerdem soll kenntlich gemacht werden, ob ein Anbieter für eine prominente Anzeige seines Angebots zahlt. Bei kostenlosen Diensten wie sozialen Netzwerken oder Mail-Zugängen sollen Verbraucher künftig das Recht haben, zwei Wochen nach Vertragsabschluss davon zurückzutreten.

Eine Hose online kaufen, mehrere Tage tragen und dann umtauschen? Das soll nach dem Willen der EU-Kommission nicht mehr möglich sein. Wenn Kleidung nicht nur anprobiert, sondern auch getragen wurde, müssen die Anbieter das Geld nicht erstatten.

Der Papiertiger des Verbraucherrechts bekomme endlich Zähne, teilte der europäische Verbraucherschutzverband BEUC mit. „Viel zu oft müssen Verbraucher die Rechnung für unfaire Geschäftspraktiken von Unternehmen selbst zahlen“, sagte Geschäftsführerin Monique Goyens. Auf dem Weg zu einer vollwertigen Sammelklage in der EU sei der EU-Vorschlag jedoch nur ein erster Schritt. Bevor die Kommissionsvorschläge EU-Recht werden, müssen Europaparlament und EU-Staaten ihnen mehrheitlich zustimmen.