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Warnstreik Sauberkeit hat ihren Preis

Kein Ende im Tarifstreit bei den Gebäudereinigern: Zum Warnstreik in Leipzig machten sich auch Beschäftigte aus Sachsen-Anhalt auf.

Von Massimo Rogacki 26.09.2019, 21:51

Magdeburg l „Sauberkeit hat ihren Preis“ ist am Donnerstagmorgen auf Fahnen, Bannern und Leuchtwesten im Haus der Gewerkschaften in Magdeburg zu lesen. Gebäudereinigerin Kerstin Kessler läuft durchs Streiklokal, schnappt sich eine Fahne und eilt zu einem der Busse, die vor dem Gebäude warten.

Gleich soll es für sie und rund 100 Beschäftigte der Branche von Magdeburg nach Leipzig gehen – am Donnerstag Streik-Hochburg der Reinigungskräfte aus Mitteldeutschland. „Uns steht Weihnachtsgeld zu. Deshalb gehe ich auf die Straße“, sagt Kessler mit energischer Stimme und präsentiert das Banner der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau).

Der von der Gewerkschaft anberaumte Ausstand ist Teil einer 48-stündigen Streikwelle. Am Montag steht die sechste Verhandlungsrunde mit dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) bevor.

Mit dem Streik soll der Druck in der laufenden Tarifrunde noch mal erhöht werden. „Wenn es dann keine Einigung gibt, dann brennt der Osten“, sagt Elke Bobles, die Vorsitzende des Bezirksverbands Altmark-Börde-Harz der IG Bau.

Neben ihr rüsten sich gerade zwei Frauen mit Fahnen aus, sie nicken. Der Unmut der Beschäftigten sei so groß, sagt Bobles, dass viele sogar dem Aufruf zu einem unbefristeten Streik folgen würden – wenn es nach Montag zu keinem Ergebnis kommen sollte.

Worum geht es bei den Verhandlungen? Für die Gewerkschaft zentral ist die Forderung nach Weihnachtsgeld und verbindlichen Lohnregeln. Fachkräfte sollen besser eingruppiert werden. Die Beschäftigten sollen 30 Tage Urlaub erhalten. Überstundenzuschläge für alle, auch Teilzeitbeschäftigte, wenn sie Mehrarbeit leisten müssen, stehen zur Debatte. Die Arbeitgeberseite blockt die Forderung nach Weihnachtsgeld ab, bietet dazu aber Gespräche im kommenden Jahr an. Vorstellbar seien Zuschläge im Bereich Industriereinigung. Ein Entgegenkommen geben könnte es beim Urlaubsanspruch.

Viele, die schon länger dabei sind, sorgen sich derzeit um ihren Tarifvertrag. „Ich habe Angst, dass der bald null und nichtig ist“, sagt eine Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Etliche Reinigungsfirmen drängten ihre Beschäftigten nach der Kündigung des Rahmentarifs Ende Juli dazu, schlechtere Arbeitsverträge mit gestrichenen Zuschlägen und weniger Urlaubstagen zu unterschreiben, meint Elke Bobles.

Dabei trifft es in vielen Fällen auch die, die es ohnehin nicht dicke haben: Teilzeitkräfte und Mini-Jobber, heißt es von der IG Bau. Den Mindestlohn von 10,05 Euro pro Stunde erhalte zudem längst nicht jeder, sagt Bobles.

Ein anderer Streikteilnehmer spricht von der hohen zeitlichen Belastung in seinem Job. „Von bezahlten Überstunden können wir nur träumen“, sagt der Mann, der für eine Magdeburger Firma arbeitet.

Um „schwarze Schafe“ ausfindig zu machen, hat die Gewerkschaft kürzlich eine Online-Umfrage gestartet, bei der Arbeitnehmer Auskunft über ungerechte Arbeitsbedingungen geben können. Die IG Bau hat zudem ein Schreiben an die (Ober-)Bürgermeister der 200 größten Städte in Deutschland verfasst. Die Gewerkschaft fordert die Kommunen auf, bei ihren Dienstleistern für die Gebäudereinigung genau hinzuschauen – und nachzuhaken, ob die ihre Personalkosten durch Änderungen von Arbeitsverträgen reduziert haben.

Zu der Warnstreik-Kundgebung in Leipzig setzen sich um 9 Uhr die letzten Busse aus Magdeburg in Bewegung. Bei der Kundgebung in Leipzig wird die Gewerkschaft am Ende mehr als 500 Teilnehmer zählen. Sauberkeit hat ihren Preis, davon sind Kerstin Kessler und ihre Kollegen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen überzeugt – und dafür wollen sie weiterkämpfen.