Wohnungen Abriss geht weiter

Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Stadt. Die Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt reißt leerstehende Wohnungen ab oder saniert.

12.12.2016, 23:01

Magdeburg l 195 Unternehmen gehören zur kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt. Der Großteil der Immobilien liegt in den Gebieten, die seit Jahren mit einem Rückgang der Einwohnerzahlen kämpfen. Ziehen Menschen weg, bleiben leere Wohnungen zurück.

Stadtumbau: Laut der jüngsten Bevölkerungsprognose wird die Zahl der Haushalte im Bundesland bis 2030 um gut 140.000 sinken. Jost Riecke, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft (VdW), prophezeit: „Es wird einen Kampf der Städte um die Bürger geben.“ In Sachsen-Anhalt müssten abseits von Magdeburg und Halle alle Städte überlegen, wie sie künftig noch attraktive Angebote machen könnten, um Menschen zu halten, sagt Riecke. Zuletzt habe die Bundespolitik den drängenden Problemen der Kommunen zu wenig Beachtung geschenkt. Diskussionen um die Wohnungsknappheit und die stark steigenden Mieten in wenigen Ballungszentren wie Hamburg oder München hätten Sorgen der schrumpfenden Regionen überlagert, so Riecke.

Leerstand und Sanierung: „Der Abriss von Wohnungen ist ein klares Zeichen für die Attraktivität der Standorte“, erklärt Riecke. Im Bundesland stehen derzeit noch rund 37.000 Wohnungen leer. Das sind 34.000 Immobilien weniger als noch vor zehn Jahren. „Für den Stadtumbau müssen wir das bewährte Instrument Abriss wachhalten“, fordert der Chef des Verbands der Wohnungsgenossenschaften (VdWg), Ronald Meißner.

Der Wohnraum in Sachsen-Anhalts sei nach wie vor in gutem Zustand. Fast 93 Prozent des gesamten Bestandes (rund 338.000 Wohnungen) der Unternehmen sei modernisiert, sagt Meißner. In diesem Jahr hätten die Mitgliedsunternehmen fast eine halbe Milliarde Euro investiert, um Wohnungen zu sanieren oder altersgerecht umzubauen. Für weitere Umbauten fordern die Verbände Hilfe vom Staat. Ein sogenanntes „Fahrstuhlprogramm“ solle das Einbauen von Aufzügen fördern, um so den Bedürfnissen von älteren Bewohnern und Familien gerecht zu werden.

Mietpreise: Der Wohnungsmarkt in Sachsen-Anhalt ist entspannt. Bei den kommunalen Anbietern sind in diesem Jahr die Mietpreise um maximal ein Prozent gestiegen und lagen bei durchschnittlich 4,80 Euro auf den Quadratmeter. Unterschiede zwischen Stadt und Land seien sehr gering. In einigen Kommunen könnten Mieter zwar für weniger als drei Euro je Quadratmeter wohnen. Insgesamt lägen die Mieten in den Großstädten jedoch nur knapp 50 Cent je Quadratmeter höher als auf dem Land. „Angesicht der sinkenden Versorgungssicherheit mit Nahverkehr und Ärzten auf dem Land ist der Anreiz in die Stadt zu ziehen deshalb auch besonders groß“, sagt Jost Riecke.

Flüchtlinge: Die kommunalen Wohnungsunternehmen haben in diesem Jahr den Flüchtlingen und Asylbewerbern rund 5000 Wohnungen zur Verfügung gestellt. „Wir sind aber nach wie vor Spielball der Wanderungsbewegungen“, sagt Ronald Meißner. Flüchtlinge könnten von einem Tag auf den anderen ihre zugeteilten Wohnungen verlassen. Helfen soll eine Wohnsitzauflage, an der die Landesregierung derzeit arbeitet. Für drei Jahre soll den Flüchtlingen ein Wohnort vorgeschrieben werden. „Das würde den Kommunen und der Wohnungswirtschaft Planungs- und Investitionssicherheit ermöglichen“, so Meißner. Sinnvoll wäre es aus Sicht der Verbände, die Zuweisung des Wohnortes an den Leerstand anzupassen.