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Wohnungsbau Bei Wärmeschutz eine Pause einlegen

Volksstimme-Interview mit Sachsen-Anhalts Bau- und Verkehrsminister Thomas Webel (CDU).

Von Jens Schmidt 03.06.2016, 01:01

Volksstimme: Herr Minister, vor Jahren wurde eine zweite Abrisswelle leerstehender Wohnungen angekündigt. Hat sich das jetzt wegen steigender Zuzüge und der Flüchtlinge geändert?

Thomas Webel: Eine weitere Abrisswelle wird nicht kommen, aber der Rückbau muss weitergehen. Ich gehe davon aus, dass es auch künftig Fördergeld dafür gibt, nämlich 60 Euro je Quadratmeter. Mir ist nur ein Fall bekannt, wo jemand wegen der Flüchtlinge ein Abrissvorhaben gestoppt hat. Alle anderen beantragen weiterhin Mittel. Wo Wohnungen abgerissen werden, entscheiden die Städte und Unternehmen vor Ort selber. Wir werden niemanden stoppen. Fast 40000 kommunale und genossenschaftliche Wohnungen stehen leer. Hinzu kommen fast 80000 private. Der Leerstand muss bekämpft werden, er kostet viel Geld.

Die Vorgaben für Klima- und Wärmeschutz werden immer strenger. Was kommt auf Hausbesitzer noch zu?

Die Bauminister der Länder sind sich einig, dass wir beim Thema Wärmeschutz erstmal eine Pause einlegen müssen, weil Wohnungsbau in Deutschland ansonsten zu teuer wird. Das trifft vor allem den sozialen Wohnungsbau in den Ballungszentren, wo bezahlbarer Wohnraum ohnehin schon knapp ist. Die neue, strengere Verordnung für 2016 ist gegen unseren Willen in Kraft getreten, nun ringen wir darum, dass die nächste noch strengere Stufe gestoppt wird.

Aber schont Energiesparen nicht den Geldbeutel?

Wenn unsere Häuser immer dicker eingepackt werden, wenn immer mehr Technik eingebaut wird, stehen Aufwand und Energieersparnis in keinem vernünftigen Verhältnis mehr. Manches ist auch nicht praktikabel. Ein Beispiel: Bei Null-Energiehäusern dürfen streng genommen keine Fenster mehr geöffnet werden; doch welcher Mieter hält sich daran? Das ist kaum vermittelbar.

Wird der Städtebau im Osten künftig weiter gefördert?

Da müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten. Derzeit werden die Mittel zwischen Ost und West halbe-halbe aufgeteilt. Nun will der Westen mehr. Wir müssen aufpassen.

Beim Schienen-Nahverkehr ist die Aufteilung schiefgegangen. Sachsen-Anhalt rechnet mit fast einer Milliarde Euro Einbußen. Wird die Verteilformel korrigiert?

Das soll mit der Kanzlerin noch besprochen werden. Wir hatten uns eigentlich schon alle darauf geeinigt, dass der Westen zwar künftig mehr Geld bekommen muss, dass dem Osten aber auch nichts weggenommen wird.

Wie ist der Stand jetzt?

Der Westen bekommt 16 Milliarden mehr, der Osten vier Milliarden weniger. Das ist schon ein einmaliger Vorgang, wie es ihn seit 1990 noch nicht gegeben hat.

Welche Linien müssten wegfallen?

Bei einer Milliarde Euro weniger müssten wir zwangsläufig etliche Linien abbestellen. Momentan aber steht kein Angebot zur Disposition, wir haben nicht vor, Bahnen durch Busse zu ersetzen. 2017 werden wir die Ausschreibung für die Stadtbahn Berlin vorbereiten – darunter fällt der Regionalexpress von Magdeburg in die Hauptstadt. Dafür brauchen wir eine gesicherte Finanzierung.

Der Bundesverkehrswegeplan ist noch in der Diskussion. Sie dürfen dazu aber keine Meinung mehr haben?

Eine Meinung darf ich immer haben. Aber laut Koalitionsvertrag darf die Regierung nicht mehr aktiv handeln. Das heißt: Alle drei Koalitionspartner akzeptieren, was der Bund beschließt. Das begrenzt aber auch die Grünen: der Koalitionspartner darf hier im Land nichts gegen den Weiterbau der A 14 unternehmen, er kann sich aber auch nicht für Schienenprojekte stark machen.

Was wird mit dem Bau der dreispurigen Bundesstraße 190n durch die Altmark?

Wir - also die alte Regierung - hatten noch vor Abschluss der Koalitionsvereinbarung im April eine Stellungnahme zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans abgegeben. Wir haben ganz klar gefordert, dass der Bau der Bundesstraße 190n durch die Altmark in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wird. Die mehrspurige Straße ist ein wichtiger Zubringer für die A 14, sie verbindet diese Autobahn zudem mit der geplanten A 39 in Niedersachsen und sie ist zugleich Umfahrung für viele Orte in der Altmark.

Ein Saale-Kanal wird als höchst unwirtschaftlich eingestuft. Warum kommt das Projekt dennoch in den weiteren Bedarfsplan?

So wird gesichert, dass die Saale als Bundeswasserstraße erhalten bleibt und der Bund die bereits vorhandenen fünf Schleusen erhält. Andernfalls würden diese Bauwerke möglicherweise nicht mehr funktionieren - dann käme auch kein Fahrgastschiff mehr durch die Saale. Und die Reparaturwerft in Alsleben wäre ebenfalls gefährdet.

Bislang hatte sich das Land immer für verlässliche Fahrrinnentiefen in der Elbe eingesetzt. Und jetzt?

Wir erwarten, dass der Bund in der Elbe verlässliche Schifffahrtsbedingungen gewährleistet. Die dafür nötigen Tiefen ergeben sich von selbst.

Der Weiterbau der Autobahnen 14 und 143 stockt wegen etlicher Klagen. Zuletzt versuchte Ihr Haus, im Dialog mit Umweltverbänden Konflikte schon während der Planung aus dem Weg zu räumen. Bleibt es bei dieser Linie?

Der Umweltverband BUND hatte den Autobahnbau lange grundsätzlich abgelehnt und gemeint, er klage so oder so. Ganz im Gegensatz zum Naturschutzbund NABU, der sich jeden Abschnitt anschaut und sich während der Planung mit Hinweisen und Änderungsvorschlägen einbringt. In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass sich der BUND der Sichtweise des NABU annähert. So besteht eine gute Chance, Klagen zu vermeiden.