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FIFA eWorld Cup in London Bundesliga-Vereine und E-Sport - Warum ausgerechnet FIFA?

Beim FIFA eWorld Cup wird am Wochenende der weltbeste FIFA-Spieler gekürt. Die E-Sport-Disziplin ist die beliebteste bei deutschen Fußball-Vereinen, von denen Dutzende in den vergangenen Jahren neue Spieler verpflichtet haben. Doch das Engagement ist nicht unproblematisch.

Von Darius Matuschak, dpa 01.08.2019, 12:28
Das Große Finale beim FIFA eWorld Cup findet 2019 wie im Vorjahr in London statt. Foto (Archiv): Ben Hoskins/Getty Images/FIFA Foto: Ben Hoskins/Getty Images
Das Große Finale beim FIFA eWorld Cup findet 2019 wie im Vorjahr in London statt. Foto (Archiv): Ben Hoskins/Getty Images/FIFA Foto: Ben Hoskins/Getty Images FIFA

London (dpa) - Werder Bremen, FC Basel, VfL Wolfsburg - sie alle spielen am Wochenende bei einer Weltmeisterschaft mit. Zum sogenannten FIFA eWorld Cup in London schicken diese und weitere Fußballvereine mindestens einen Spieler, um dort um den WM-Titel im Videospiel FIFA 19 mitzuspielen.

Seit 2018 sprossen die E-Sport-Abteilungen bei deutschen Fußballvereinen nur so aus dem Boden. Die meisten Teams der 1. und 2. Bundesliga haben mittlerweile professionelle Videospieler unter Vertrag - und dabei konzentrieren sich fast alle auf die Fußballsimulation FIFA.

"FIFA ist am nahe liegendsten für einen Fußballverein, der den Einstieg in den E-Sport schaffen will", sagt Nicolas Farnir von Schalke 04 im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Der Traditionsverein ist der einzige deutsche Fußballclub, der auch ein Team in der weltweit wichtigsten E-Sport-Disziplin League of Legends (LoL) unterhält; Farnir managt dieses Team. "Es ist auch einfacher, traditionellen Fans erst einmal eine Fußballsimulation näherzubringen als jedes andere Videospiel."

Die Verbindung von Fußball zu FIFA macht sich auch bei den Fans bemerkbar: "Spiegel Online" befragte vor einem Bundesliga-Spiel mehrere Schalker Fans zum Thema E-Sport, einige kannten Tim "Tim Latka" Schwartmann (21), den bekanntesten FIFA-Spieler der Königsblauen. Beim Thema League of Legends blickten die Fragesteller hingegen eher in fragende Gesichter - obwohl Schalke dort in der europäischen Königsklasse LEC mitspielt.

Der Einstieg in FIFA ist auch in Bezug auf die Personalkapazitäten günstiger. Da man als Verein für die Teilnahme an der Virtual Bundesliga lediglich zwei Spieler braucht, und diese meist auch Zuhause wohnen bleiben, ist es ein leichter Einstieg in die Welt des E-Sports.

"Selbst dort, wo ein traditioneller Fußballverein drauf steht, steht auch nicht immer der Verein direkt dahinter", sagt Konni Winkler, deutscher Kommentator des diesjährigen FIFA eWorld Cups. "In vielen Fällen sind externe Agenturen beauftragt, die die Spieler stellen und auch beraten und managen. FIFA E-Sport ist mancherorts sozusagen outgesourced."

Gleichzeitig gehört FIFA für die Spieler zu den teuersten E-Sport-Disziplinen. Anders als in anderen Titeln kann man sich in FIFA nämlich Vorteile erkaufen, die direkten Einfluss auf das Spielgeschehen haben. Denn in der Regel wird im sogenannten Ultimate-Team-Modus gespielt: Hier können Spieler ihr Traumteam aus aller Welt zusammenstellen. Sollen Nationalspieler wie Leon Goretzka und Maximillian Eggestein also neben Cristiano Ronaldo und Lionel Messi oder sogar Legenden wie Michael Ballack oder Pelé auflaufen, ist das in diesem Modus möglich. In der Theorie.

Weltstars erhält man durch digitale Karten-Packs, die man freispielen oder kaufen kann. Die Chance, in diesen Packs aber einen Spieler des Kalibers Messi oder Ronaldinho zu ziehen, sind verschwindend gering.

In einem regulären "Premium Gold Pack" für 1,50 Euro liegt die Chance, einen mit 83 oder höher bewerteten Spieler zu finden, bei 4,6 Prozent - je höher die Bewertung, desto niedriger die Chance, diesen Spieler zu ziehen. Zur Einordnung: Pelés beste Karte liegt bei 99 von 100 möglichen Punkten. Ihn zu ziehen kommt einem Lottogewinn gleich.

Gibt man für Ultimate Team nicht zusätzlich Geld aus, hat man als Spieler fast keine Chance, im Wettbewerb mitzuhalten. FIFA-Profis sind sich dessen bewusst, geben alleine im ersten Monat des Spiels oft mehr als 1500 Euro für die digitalen Spielfiguren aus.

Cihan Yasarlar, FIFA-Profi für RB Leipzig, gab in einem Interview mit "Sportbild" sogar an, mehr als 5000 Euro für sein Team in FIFA 19 ausgegeben zu haben. "Ein Robert Lewandowski schießt gegen die vom Computer gesteuerte Abwehr keine Tore", sagt Yasarlar in dem Interview. "Einen Zocker, der mit einem mittelmäßigem Team zur Weltspitze gehört, gibt es nicht und wird es auch nie geben."

Deshalb gibt es auch Unmut von den Vereinen. "Das derzeitige Modell ist nicht zufriedenstellend - weder für die Spieler noch für uns als Verein.", sagt Tim Reichert, Chief Gaming Officer von Schalke 04. "Es wäre wünschenswert, dass alle Spieler unter denselben fairen Voraussetzungen starten. Als Verein leben wir das Gebot der sportlichen Fairness. Um im FIFA-Esport konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir uns jedoch den aktuellen Gegebenheiten anpassen."

Eine Kursänderung ist nicht abzusehen, bestätigt FIFA-Entwickler Electronic Arts auf Anfrage. Denn: EAs Jahresumsatz besteht mittlerweile zu 28 Prozent aus dem Erlös digitaler Packs, Tendenz steigend.

In Belgien sind Packs dieser Art mittlerweile als Glücksspiel eingestuft worden. Mitte 2018 drohte der Staat dem FIFA-Entwickler mit einer Klage von über 800.000 Euro, wenn die Packs nicht aus dem Spiel entfernt würden. Seit Ende Januar kann man deshalb in Belgien keine Packs mit Echtgeld erwerben - für die Profispieler dort eine Katastrophe. Auch in Deutschland wird darüber nachgedacht, die Mechanik zu verbieten.

Eine Alternative wären gemittelte Teams: In der Virtual Bundesliga Club Championship traten alle Spieler mit den Mannschaften ihrer Vereine an. Damit trotzdem alle die gleiche Chance auf den Sieg hatten, wurden die Stärken aller Spielfiguren bei 85 festgelegt.

Spiegel Online-Beitrag zu Schalke 04