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Seitlinge und Shiitake Corona-Krise: Was passiert mit der Edelpilz-Ernte?

Vor Corona lief es super beim Edelpilzzüchter Mirko Kalkum. Die Nachfrage aus der Gastronomie nach seinen Gewächsen aus dem Stollen war groß. Das hat sich mit dem Teil-Lockdown geändert. Wohin nun mit den Edelpilzen?

Von Birgit Reichert (Text) und Oliver Dietze (Foto), dpa 04.12.2020, 13:29
Oliver Dietze
Oliver Dietze dpa

Saarbrücken (dpa) - Die Edelpilze gedeihen in einem Berg in Alt-Saarbrücken. In dem Stollen liegt die Temperatur konstant bei um die 15 Grad, die Luftfeuchtigkeit ist hoch.

Optimale Bedingungen für Kräuterseitlinge, Shiitake, Buchenpilze oder exotischere Vertreter wie den rosafarbenen Rosenseitling oder den gelben Limonenseitling, wie Edelpilzzüchter Mirko Kalkum sagt.

Die Edelpilze gedeihen in engen Gängen auf Regalen und wachsen teils sehr schnell: "Der Kräuterseitling verdoppelt irgendwann alle anderthalb Tage seine Größe", sagt Kalkum, der sie seit rund zehn Jahren züchtet.

Expansionspläne auf Eis gelegt

Der Run auf seine Edelpilze ist groß - zumindest war er das, bis Corona kam. Denn die Gastronomie, an die er vor allem liefert, ist ihm in diesem Jahr wegen des Teil-Lockdowns über Monate weggebrochen. "Da sind natürlich viele Umsätze ausgeblieben", erzählt der 43-Jährige. Eigentlich hatte er in 2020 vergrößern und mit seiner Pilzzucht in eine große Halle umziehen wollen. Doch die Pläne liegen nun erstmal auf Eis. "Ich fahre weiter auf Sicht."

Auch Edelpilzzüchter Mathias Kroll in Offenbach hat derzeit hart zu kämpfen. "Weil jetzt eigentlich Pilzzeit ist und ich normalerweise in diesen Monaten in der Gastronomie mein Hauptgeschäft mache", sagt er. Etwa 50 Prozent Umsatzeinbußen habe er nun. Er finde es "unfair", dass er als Zulieferer der Gastronomie anders als etwa die Restaurants selbst keine November- oder Dezemberhilfen bekomme.

"Um Anspruch darauf zu haben, müsste ich 80 Prozent meines Umsatzes mit der Gastronomie machen." Das sei aber bei ihm nicht der Fall, da er auch auf Wochenmärkten in Mainz, Wiesbaden und Offenbach stehe. Zu seinen Kunden gehört üblicherweise die gehobene Gastronomie - wie Frankfurter Nobelrestaurants. Seine Pilze zieht er in ehemaligen Eiskellern von Bierbrauern im Bieberer Berg von Offenbach hoch.

Kalkums Pilze wachsen alle "auf Holz", das zu Spänen vermahlen und mit Ölsamen, Roggenkörnern und Wasser vermischt den Nährboden darstellt. Die Pilzkulturen kauft der Biologe bei einem deutschen Händler in speziellen Beuteln. Dann beginnt die Handarbeit: Die Kulturen werden von ihm zunächst in den Beuteln leicht massiert, um das Wachstum anzuregen - dann bekommt jedes Gewächs einen bestimmten Platz - je nachdem, wie viel Licht oder Feuchtigkeit es braucht.

Zeitpunkt der Ernte genau abpassen

Anschließend wird der Beutel aufgeschnitten, damit Sauerstoff eindringen kann. "Dann wachsen die Pilze innerhalb von ein bis vier Wochen und man kann sie ernten." Dieser Zeitpunkt muss genau abgepasst werden: "Ich bin jeden Tag zur Kontrolle im Stollen", sagt Kalkum. Er beliefert auch Einzelhändler und Großhändler sowie ein paar Hofläden und Stände auf Märkten. Ein kleiner Teil seiner Ware geht auch an Privatkunden, die teils online bestellen.

In der Corona-Krise sei es schwierig gewesen, auf die jeweils geltenden Anordnungen zu reagieren. "Ich kann nicht von einer Woche auf die andere umschwenken. Ich züchte Pilze - das ist ein bisschen wie ein Tanker auf hoher See", sagt Kalkum. "Für die nächsten vier Wochen steht fest, was ich ernten werde." Auch er bekomme keine Hilfen. Da er seine Pilze teils nicht verkaufen konnte und ihm die Kühlkapazität ausging, hat er begonnen, Pilze zu trocknen. Diese Trockenmischungen liefen ganz gut, sagt er.

Kroll macht derweil auch Pilzragout und hat im Mai einen Pilz-Automaten vor seinem Betrieb in Offenbach aufgestellt. Dort könnten Kunden sich rund um die Uhr Pilze "ziehen". Der Automat werde "ganz gut" angenommen, sagt Kroll. Aber er fange die Umsatzeinbußen längst nicht auf. Pläne für weitere Automaten in Frankfurt und Offenbach habe er erstmal auf Eis gelegt.

Zehn bis zwölf Pilzsorten hat Kalkum im ehemaligen Luftschutzbunker auf rund 160 Quadratmetern kultiviert. Im Monat erntet er im Schnitt eine Tonne Pilze. Die Nachfrage nach Pilzen sei in den vergangenen Jahren mit dem Trend zu vegetarischer und veganer Ernährung immer weiter gewachsen, sagt er. Der Rosenseitling zum Beispiel könne "kross ausgebacken" wie "eine Art veganer Ersatz von Speck" verwendet werden. "Damit kann man einen veganen Burger krönen."

Warten auf das Pandemie-Ende

Oder die Buchenpilze, seine persönlichen Lieblingspilze, "zerfallen im Mund etwa wie Geflügel und schmecken auch etwas so. Mit einer Note von Anis". Er habe auch Sterneköche gehabt, die diese Pilze immer wieder bestellten, sagt er. Auch der Kräuterseitling habe "unheimlich leckere Röstaromen". Er habe Kunden vor allem im Saarland.

Kalkum geht davon aus, dass das Geschäft wieder richtig in Gang komme, wenn die Corona-Pandemie mal vorbei sei, sagt er. Die Frage sei nur, wie es dann seinen Kunden gehen werde. "Vielleicht ist die Hälfte nicht mehr da, weil sie einfach insolvent ist. Und die, die überlebt haben, die kaufen dann vielleicht erst einmal Champignons zweiter Wahl."

© dpa-infocom, dpa:201204-99-571311/4

Edelpilzzucht Mirko Kalkum

Edelpilzzucht Mathias Kroll