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Faktencheck Ist Deutschland bei seinem Beitrag zur Nato "sehr säumig"?

Zahlreiche US-Soldaten sollen künftig in Belgien und Italien statt in Deutschland ihren Dienst tun. Lässt sich das wirklich mit Deutschlands niedrigen Verteidigungsausgaben erklären?

Von Ansgar Haase und Michael Fischer, dpa 30.07.2020, 14:51
Harald Tittel
Harald Tittel dpa

Berlin (dpa) - US-Präsident Donald Trump begründet den geplanten Abzug von fast 12.000 US-Soldaten aus Deutschland mit den aus seiner Sicht zu geringen Verteidigungsausgaben des wirtschaftlich stärksten Verbündeten in Europa. Er bezieht sich dabei auf das Nato-Ziel, dass jedes Mitgliedsland zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukt für Verteidigung ausgeben soll. Ist die Kritik berechtigt?  

BEHAUPTUNG: Trump schrieb am Mittwoch auf Twitter: "Deutschland ist sehr säumig bei seinem Zwei-Prozent-Beitrag zur Nato. Wir ziehen deshalb einige Truppen aus Deutschland ab!"

BEWERTUNG: Trump hat zum Teil recht.

FAKTEN: Nach einem Richtwert der Nato sollen alle Mitgliedstaaten jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Wer die "Säumig"-Aussage des US-Präsidenten darauf bezieht, kann ihm durchaus zustimmen, da Deutschland nach Nato-Zahlen zuletzt gerade einmal auf einen BIP-Anteil von 1,38 Prozent kam.

Deutlich anders ist das Bild allerdings, wenn zur Bewertung von Trumps Aussage ein immer wieder zitierter Nato-Gipfelbeschluss aus dem Jahr 2014 herangezogen wird. In ihm heißt es nämlich nur, dass die unter zwei Prozent liegenden Alliierten darauf abzielen werden, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert zuzubewegen.

Dies hat Deutschland bislang getan. So stieg der BIP-Anteil von 2014 bis 2019 von 1,18 auf 1,38 Prozent, was nach Nato-Zahlen einem Anstieg der Verteidigungsausgaben um mehr als 26 Prozent entspricht. Deutschland hat sich nach dieser Interpretation klar an den Gipfelbeschluss gehalten, indem es sich seitdem auf die zwei Prozent zubewegt hat - wenn auch langsam.

Höchst fragwürdig wird Trumps Argumentation vor allem, wenn man sich anschaut, wie sich die Verteidigungsausgaben in Belgien und Italien entwickeln - also in denjenigen zwei Ländern, die künftig einen Teil der aus Deutschland abgezogenen Truppen beherbergen sollen. So lag die BIP-Quote für die Verteidigungsausgaben in Belgien zuletzt gerade einmal bei 0,93 Prozent und die in Italien bei nur 1,22 Prozent. Theoretisch dürfte Trump deswegen niemals Truppen dorthin verlegen - zumindest dann nicht, wenn der "Zwei-Prozent-Beitrag zur Nato" ein Kriterium ist.

© dpa-infocom, dpa:200730-99-983205/2

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