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Faktencheck "Zieh' dich warm an" - Erkältungsmythen am Prüfstand

Es geht wieder los, die Erkältungssaison beginnt. Vielerorts wird geniest und gehustet. Jeder will sich die Krankheit möglichst ersparen. Dafür gibt es unzählige Tipps - die nicht alle helfen.

Von David Schwarz, dpa 16.10.2019, 10:19

Berlin (dpa) - Herbst und Winter sind nicht nur die Hauptsaison für Erkältungen, sondern auch für altbewährte Ratschläge zu dem Thema. Wer wurde nicht schon einmal gerügt, weil er ohne Schal und Mütze vor die Tür ging? Wem wurde noch nie das absolute Allheilmittel gegen einen Schnupfen empfohlen? Viele der oft gehörten Tipps sind wissenschaftlich jedoch umstritten.

RATSCHLAG: "Zieh' dich warm an, sonst erkältest du dich."

BEWERTUNG: Ein Zusammenhang ist nicht erwiesen.

FAKTEN: Es steckt doch schon im Wort drin - Erkältungen müssen doch eigentlich mit Kälte zu tun haben. Schließlich treten sie in den kalten Monaten auch besonders häufig auf. "Ein Zusammenhang zwischen Frieren und sich daraufhin erkälten ist wissenschaftlich nicht belegt", sagt Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Erkältungen oder grippale Infekte werden durch Viren, nicht durch kalte Temperaturen ausgelöst. Ob die Kälte die Abwehrkräfte der Körpers so sehr schwächt, dass eine Infektion begünstigt wird, ist umstritten. Forscher fanden jedoch biologische Hinweise darauf, dass Immunzellen bei Kälte Viren schlechter bekämpfen können.

RATSCHLAG: "Kalte Duschen härten ab."

BEWERTUNG: Möglicherweise, seltener krank wird man aber nicht.

FAKTEN: Wissenschaftler aus den Niederlanden gingen dieser These nach. Dabei kam heraus, dass Menschen, die anfingen auch kalt zu duschen, sich seltener und weniger heftig krank fühlten. Bei den tatsächlichen Krankheitstagen pro Jahr gab es dagegen keine großen Unterschiede zu den Testpersonen, die weiter warm duschten. Scherer sieht zudem ein Problem: "Kalte Duschen sind nicht unproblematisch, sie können das Herz-Kreislauf-System überfordern."

RATSCHLAG: "Händewaschen nicht vergessen."

BEWERTUNG: Ein guter Rat, sagen viele Experten.

FAKTEN: "Die Hände sind ein wichtiger Keimüberträger", erklärt der Hamburger Allgemeinmediziner Scherer. So können etwa durch Anfassen einer Türklinke Keime aufgenommen werden. Reibt man sich anschließend die Augen oder fasst sich an die Nase, können die Erreger in die Schleimhäute gelangen. Forscher gehen davon aus, dass regelmäßiges Händewaschen die Verbreitung von Viren und die Ansteckungsgefahr senken kann. Dafür sollten die Hände gründlich für 20 bis 30 Sekunden eingeseift werden.

RATSCHLAG: "Du brauchst viel Vitamin C und Zink."

BEWERTUNG: Allenfalls geringe Vorteile.

FAKTEN: "Ohne Vitamin C und Zink dauert eine Erkältung eine Woche, mit Vitamin C und Zink dauert sie 7 Tage", sagt Scherer. Im Vorfeld einer Erkrankung können sie jedoch womöglich etwas helfen: Die reguläre Einnahme von Zink reduzierte zumindest in Studien mit Kindern die Zahl der Erkältungen pro Jahr. Die regelmäßige Gabe von Vitamin C führte dagegen bei Erwachsenen lediglich zu einer geringeren Krankheitszeit und etwas abgeschwächten Symptomen. Auch wenn das Vitamin kein Allheilmittel gegen Erkältungen ist, bleibt es sinnvoll den Körper durch eine ausgewogene Ernährung ausreichend damit zu versorgen.

RATSCHLAG: "Ab ins Bett mit dir."

BEWERTUNG: Schlaf und Ruhe helfen gegen Erkältungen.

FAKTEN: Sich bei einer Erkältung Ruhe zu gönnen hat zwei Vorteile: Man steckt weniger Menschen an. Zudem hilft Schlaf dem Körper, die Erkältungsviren abzuwehren. "Körperliche Schonung ist beim akuten Infekt sinnvoll. Übermüdung und Schlafentzug können das Immunsystem schwächen", sagt Scherer. Das kann im Vorfeld auch die Anfälligkeit für Erkältungen erhöhen.

RATSCHLAG: "Trink schön viel Ingwer-Tee mit Honig."

BEWERTUNG: Das kann Symptome durchaus lindern.

FAKTEN: Warme oder heiße Getränke können das Husten und den Abfluss von Schleim nach einer Handreichung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erleichtern. Generell sei Trinken bei Erkältungen förderlich. Honig könne demnach helfen, einen trockenen Rachen und gereizte Bronchien zu beruhigen. In Ingwer sind sogar Stoffe enthalten, die gegen Rhinoviren wirken, einen der häufigsten Verursacher der klassischen Erkältung. Zudem kann die Wurzel der Pflanze Entzündungen entgegenwirken.

RATSCHLAG: "Eine Nasendusche kann helfen."

BEWERTUNG: Der konkrete Nutzen ist unklar.

FAKTEN: Nasenspülungen mit Salz wird nachgesagt, dass sie gegen Viren wirken. Ob Nasenduschen jedoch wirklich Erkältungen vorbeugen oder bekämpfen kann, ist umstritten. Einige Studien zeigten durchaus eine prophylaktische Wirkung von regelmäßiger Anwendung, grippale Infekte wurden seltener. Bei einer bestehenden Erkältung erleichterte Nasenduschen Kindern zudem das Atmen. Australische Forscher verglichen jedoch die Ergebnisse mehrerer Studien und kamen zu dem Schluss, dass es bisher keine medizinisch bedeutsamen Anzeichen für einen Nutzen gebe.

Studie zu verschiedenen Maßnahmen gegen Erkältungen (englisch)

Hinweise zum Händewaschen

WHO zu Mitteln gegen Erkältungen (englisch)

Überblick zu Studien zum Zusammenhang von Kälte und Erkältungen (englisch)

Studie zu Rhinoviren (englisch)

Spektrum zu Hausmitteln gegen Erkältungen

Überblick zu Studien von Nasenduschen (englisch)

Studie: Biologischer Mechanismus zu Kälte und Immunsystem (engl.)

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