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Fernsehen Eine Chance für Filmemacher

Im Rahmen der Reihe "FilmDebüt im Ersten" zeigt die ARD eine sehenswerte Milieustudie.

14.06.2019, 12:23

Dortmund (dpa) l Als ihr wegen Diebstahls gekündigt wird, rächt sich Marija mit einer Attacke auf die Kollegin, die sie verraten hat. Als sie in finanziellen Schwierigkeiten steckt, bietet sie Sex gegen ausstehende Mietschulden an. Ihre Mimik lässt bei all dem wenig Regungen erkennen: Ihr Gesichtsausdruck bleibt hart, wie eigentlich den ganzen Film über. Das Erste zeigt "Marija" am Dienstag (18. Juni) nach den Tagesthemen ab 22.45 Uhr als Teil der Reihe "FilmDebüt im Ersten", mit der die ARD Filmemachern eine Chance geben will.

In diesem Fall kommt der erste Langfilm von Regisseur und Drehbuchautor Michael Koch ins Fernsehen. Es ist ein Porträt über eine stolze Frau aus der Ukraine, die immer wieder scheitert – sich aber nicht unterkriegen lässt. Koch erklärt dazu, dass er mal eine Zeit lang in der Ukraine gelebt habe und von einer jungen Frau hörte, die aus Odessa nach Deutschland gekommen sei: "Sie arbeitete in Dortmund als Putzfrau, wollte aber sobald wie möglich ein eigenes Nagelstudio eröffnen. Die Dringlichkeit, mit der die junge Frau für ihre Selbstständigkeit kämpfte und ihr Stolz, mit dem sie auf Rückschläge reagierte, beeindruckten mich", sagte Koch im Interview mit dem Ersten. Die Idee für den Film war geboren.

Darin spielt Margarita Breitkreiz die Hauptfigur Marija. Statt eines Nagelstudios lautet ihr Ziel: ein eigener Friseursalon. Dafür muss sie eigentlich sparen. Doch nachdem sie während ihrer Arbeit als Reinigungskraft in einem Hotel beim Klauen erwischt wurde, ist sie die Stelle los. Ihrem Vermieter versucht sie tagelang aus dem Weg zu gehen. Am Ende begleicht sie ihre Schulden mit Sex und taumelt so in ein fragwürdiges Verhältnis. Zugleich hangelt sie sich von Job zu Job, assistiert als Übersetzerin – und gerät dabei an einen Chef, der mehr von ihr will, als ihre Arbeitskraft. Überhaupt: Männer nutzen und benutzen sie – wegen ihrer Sprachkenntnisse, wegen ihres Aussehens, vielleicht sogar manchmal getrieben von echten Gefühlen.

Marija scheint das alles wenig zu bedeuten. Einer Freundin sagt sie einmal auf die Frage, warum sie sich keinen normalen Job suche: "Weil ich mich nicht länger ausnutzen lasse. Deswegen bin ich nicht hergekommen." Ihr geht es darum, selbstständig sein zu wollen. Als sie mit einem Arbeitgeber Geld beiseite schafft und er ihr ein Bündel Scheine schenken will, entgegnet sie: "Ich will aber keine Geschenke. Ich hab's verdient."

Die junge Frau steht dabei auch für andere, wie Regisseur und Autor Koch deutlich macht. Seine Recherchen führten ihn in die Dortmunder Nordstadt, ein ehemaliges Arbeiterviertel. "Hier leben Menschen aus über 130 Nationen zusammen", sagt Koch. "Ein Mikrokosmos, der eine deutsche Lebensrealität abbildet, die viel zu selten differenziert betrachtet wird." Der Kampf um die eigene Existenzgrundlage sei dort überall spürbar. Hier wollte er der Frage nachgehen: "Kann man sich in einer Welt, in der zwischenmenschliche Beziehungen auf ihre ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtet sind, Dinge wie Moral oder Gefühle überhaupt noch leisten?" Und so wird aus dem Porträt einer selbstbewussten Frau auch ein stückweit eine Milieustudie.

Marija nimmt viel in Kauf; das zahlt sich auch aus. Aber immer wieder zeigt Koch sie in Szenen, in denen sie ins Leere starrt, mit regloser Miene. Einerseits verfolgt sie klar ihr Ziel, andererseits scheint sie das – selbst am Ende – nicht wirklich glücklich zu machen.