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"Ein Kessel Buntes" Der Samstagabend-Glamour der DDR

Die Show brachte viel Farbe in den eher grauen sozialistischen Alltag. Selbst Stars aus kapitalistischem Feindesland durften auftreten. "Ein Kessel Buntes", die TV-Revue der DDR, überlebte den Mauerfall jedoch nur kurz.

Von Sophia-Caroline Kosel, dpa 18.12.2017, 09:40

Berlin (dpa) - TV-Lieblinge aus der DDR moderierten, Stars aus dem Westen und dem Osten traten auf der riesigen Showbühne mit der imposanten Treppe auf - und es flimmerte Glamour über die DDR-Fernsehbildschirme. "Ein Kessel Buntes", die Samstagabendshow des DDR-Fernsehens, sorgte mit internationalem Flair für ausverkaufte Hallen und hohe Quoten.

Die Macher scheuten keine Kosten. Die Musikshow zählte zu den beliebtesten Sendungen im sozialistischen Osten Deutschlands. Sie überlebte auch den Mauerfall und die Wende. Nach zehn Ausgaben in der ARD war allerdings am 19. Dezember 1992 Schluss - also vor 25 Jahren.

"Besonders war, dass in der Show neben dem Fernsehballett Artisten, Humoristen und Opernsänger bunt gemixt mit großen und kleineren Weststars im Kessel auftraten", erinnert sich Frank Schöbel. Der Sänger war beim ersten "Kessel" 1972 dabei und hat die letzte DDR-Show im Dezember 1990 mit seiner damaligen Frau Aurora Lacasa moderiert. "Ein witziger Moment war sicher der Sketch mit Herbert Köfer. Er war Weihnachtsmann - ich Osterhase. Da boten sich politische Gags an. So: Der Ost(er)hase wählt die CDU, weil von da kommt der Kohl (schmatz, schmatz)", blickt Schöbel zurück.

Ob Hartmut Schulze-Gerlach alias Muck, Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler, Helga Hahnemann, Lutz Jahoda oder Heinz Rennhack: Viele bekannte und beliebte DDR-Künstler durften im Lauf der Jahre den "Kessel Buntes" moderieren. Begonnen hatte die TV-Revue, die als Gegenstück zu den großen Samstagabend-Shows bei ARD und ZDF gedacht war, einst allerdings mit einem etwas anderen Moderations-Konzept.

Mit drei Kabarettisten fing alles an. Die "drei Dialektiker" schmissen auf der Bühne eine Waschmaschine an - und los ging "Ein Kessel Buntes". Am 29. Januar 1972 stand die Waschmaschine zum ersten Mal auf der Bühne. Das Trio - der Mecklenburger Horst Köbbert, der Berliner Lutz Stückrath und der Sachse Manfred Uhlig - brillierte nicht nur mit den im Osten am meisten gesprochenen Dialekten. Die Kabarettisten nahmen sich auch die Freiheit, so manche kritische Spitze abzuschießen. Das kam bei den Zuschauern an.

Stets habe es bei den DDR-Oberen eine "nahezu panische Angst vor kabarettistischen Tönen" gegeben, schrieb die ostdeutsche Zeitschrift "Film und Fernsehen". Nach 28 Sendungen mussten "die Dialektiker" abtreten. Fortan präsentierten im Wechsel prominente Sänger und Schauspieler den "Kessel". Gesendet wurde sechsmal im Jahr aus verschiedenen Orten.

Im Verlauf der Jahre wirkten Tausende Künstler mit. Die DDR-Bürger erhielten einen seltenen Blick auf West-Stars und internationale Größen. Unter ihnen: Katja Ebstein, Udo Jürgens, Roberto Blanco, Costa Cordalis, Julio Iglesias, Abba und Samantha Fox. Aber auch Gäste aus den sozialistischen "Bruderländern" waren dabei: Jirí Korn, Zsuzsa Koncz, Karel Gott, das Ballett des Tschechoslowakischen Fernsehen, Helena Vondrackova. Auch immer dabei: Das beliebte DDR-Fernsehballett mit seinen spektakulären Kostümen. Überhaupt, so knallbunt wie auf der Show-Bühne war es sonst selten in der DDR.

1989 lief kurz vor dem Mauerfall die 100. Ausgabe über die Fernsehschirme. Die ARD übernahm die Sendung dann. Karsten Speck wurde als Stamm-Moderator ins Rennen geschickt. 1992 wurde die Show schließlich wegen sinkender Einschaltquoten eingestellt. Zehnmal war sie damit in der ARD zu sehen. Im ersten Halbjahr 1992 hatte der "Kessel Buntes" durchschnittlich 6,57 Millionen Westdeutsche und 2,97 Millionen Ostdeutsche erreicht.

Ganz vom Bildschirm verschwunden ist die Show nicht. Wolfgang Lippert erinnert im MDR regelmäßig in "Ein Kessel Buntes Spezial" an die Highlights der Sendungen von einst. Er befragt auch damalige Gäste - etwa Bonnie Tyler, die mehrfach Stargast im "Kessel" war. "Es war anders als im Westen. Wir hatten überall Begleiter. Aber das Publikum war wundervoll - sie haben immer applaudiert", erinnert sich die Sängerin.

Über seinen Moderationsjob bei der "schönen Vintage-Retro-Show" beim MDR sagte Lippert der dpa vor einiger Zeit: "Wir sind glücklich über die hohe Quote und die gute Akzeptanz." Er hatte einst vor der echten Show ein schmerzhaftes Erlebnis. Bei der Probe für einen Rock'n'Roll kurz vor der Livesendung zog er sich einen Muskelfaserriss in der Bauchdecke zu. Aber die Sendung durchstand er trotzdem.

Ein Kessel Buntes Spezial vom 19.8.

Ein Kessel Buntes Spezial vom 30.9.

Szene aus der TV-Show «Ein Kessel Buntes» am 22.12.1991 im Friedrichstadtpalast in Berlin. Foto: Klaus Franke
Szene aus der TV-Show «Ein Kessel Buntes» am 22.12.1991 im Friedrichstadtpalast in Berlin. Foto: Klaus Franke
dpa-Zentralbild