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TV-Tipp Doku-Hit "Kulenkampffs Schuhe" wird wiederholt

Die ARD-Doku "Kulenkampffs Schuhe" fasziniert viele Deutsche. Sie verschwand aber recht schnell aus der Mediathek. Das hat Gründe und jetzt auch Folgen. Der SWR zeigt sie Sonntag nochmal.

Von Gregor Tholl, dpa 20.08.2018, 14:11

Baden-Baden (dpa) - Fast zwei Millionen Zuschauer für eine TV-Geschichtsdokumentation an einem Mittwochabend um 22.30 Uhr sind etwas Besonderes. Noch ungewöhnlicher wird es, wenn der Film im Anschluss ein ARD-Mediathek-Hit wird und in sozialen Medien von vielen verlinkt und empfohlen wird.

Passiert ist das mit dem Dokumentarfilm "Kulenkampffs Schuhe" von Regina Schilling, gesprochen von der Schauspielerin Maria Schrader, der am 8. August im Ersten kam und den viele Kritiker lobten. "Der anspruchsvolle Sommerhit schlechthin", schrieb zum Beispiel das Medienmagazin "DWDL.de".

"Aufgrund des großen Interesses" wiederholt der Südwestrundfunk in seinem Fernsehen am Sonntag (26.8.) die 90-minütige Doku "Kulenkampffs Schuhe" - eine Produktion der Berliner Filmfirma Zero One im Auftrag des SWR in Koproduktion mit dem Hessischen Rundfunk (hr) - zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr.

Der Film läuft dann parallel etwa zum neuen Weimar-"Tatort" im Ersten, dem ZDF-Familienfilm "Marie fängt Feuer: Nichts als die Wahrheit" und der RTL-Zaubershow "Die Ehrlich Brothers präsentieren: Showdown der weltbesten Magier". Ursprünglich hatte der SWR am Sonntagabend zur Primetime eine Doku "Wirtshäuser auf dem Land" zeigen wollen.

Nach der Erstausstrahlung am 8. August, die 1,93 Millionen Zuschauer hatte (12,4 Prozent Marktanteil), war der Film nur sieben Tage in der ARD-Mediathek abrufbar gewesen. Das führte bei vielen Fans des Werks zu Fragen, warum denn ausgerechnet so ein nachhallender Film nur so kurz dort verfügbar sei. Und haben die Ministerpräsidenten der Länder nicht erst vor kurzem eine Aufweichung der Siebentageregel für die öffentlich-rechtlichen Online-Mediatheken beschlossen?

SWR-Sprecher Wolfgang Utz erläutert auf Nachfrage, dass das bei diesem Film kompliziert sei, da er komplett 90 Minuten nur aus Archivmaterial zusammengeschnitten sei. Für jeden Schnipsel seien die Rechte verhandelt und den jeweiligen Rechteinhabern bezahlt worden. Kurz: "Je länger der Film in der Mediathek verfügbar sein soll, desto teurer wäre er gewesen." Da habe kalkuliert werden müssen.

Dem SWR zufolge wurde der Film in der Woche nach der Ausstrahlung im Ersten genau 101.126 Mal in der Mediathek abgerufen. Abrufe aus Apps seien dabei aber noch nicht berücksichtigt. Wenn der Film jetzt noch einmal im SWR Fernsehen gezeigt wird, ist er erneut sieben Tage online.

In der Doku entwickelt Regina Schilling als Kind eines Kriegsheimkehrers die These, dass die großen Fernsehstars wie Hans-Joachim Kulenkampff (1921-1998; "Einer wird gewinnen") und Hans Rosenthal (1925-1987; "Dalli Dalli") so etwas wie Therapeuten einer traumatisierten Generation waren. Bei Rosenthal, der Jude war, hatte dies eine besonders grausame Dimension, da er sich im Krieg als Vollwaise in einer Berliner Laube versteckte und jeden Moment damit rechnen musste, deportiert zu werden.

Die Filmemacherin erzählt die Geschichte ihres Vaters aus eigenen Erinnerungen, kontrastiert mit Persönlichem der TV-Unterhalter. Es geht um die Männer, die "erst missbraucht vom Nationalsozialismus, dann eingespannt in das Hamsterrad der Nachkriegszeit" waren.

Der Filmtitel "Kulenkampffs Schuhe" spielt auf die schicken Schuhe des Entertainers an, in denen sich aber ein verkrüppelter Fuß befand, weil sich der gebürtige Bremer im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront eigenhändig vier Zehen amputiert hatte. Fazit: Die Nazi-Zeit wurde im Fernsehen und in den meisten Familien Deutschlands krass kaschiert.

Kulenkampffs Schuhe