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Die Tote aus der Schlucht

In Die Tote aus der Schlucht bekommt es Kommissarin Landauer mit der Vergangenheit zu tun: Ist ihre Mutter doch nicht vor 25 Jahren gestorben? Welche Verbrechen hat ihr Vater auf dem Kerbholz? Und was steckt hinter ihren Halluzinationen?

Von Marco Krefting, dpa 06.12.2015, 23:01

München (dpa) - Nach einer Stunde wird es zum ersten Mal laut: Auf einem Friedhof schreit Kommissarin Susanne Landauer (Rosalie Thomass) ihren Vater an.

Den Tod ihrer Mutter habe er vorgegaukelt, einen leeren Sarg unter die Erde bringen lassen und seine Frau in eine Psychiatrie abgeschoben, wirft sie ihm vor. Da hat ein Bagger gerade das Grab freigeschaufelt. Vater Landauer greift zum Spaten, rammt ihn ins morsche Holz. Das berstet. Im Sarg: ein Skelett.

Es ist eine von mehreren Wenden im ZDF-Fernsehfilm der Woche, den das Zweite am Montag (20.15 Uhr) zeigt. Wie für einen Krimi üblich, ist in Die Tote aus der Schlucht nach anderthalb Stunden fast nichts mehr so, wie es zwischendurch mal schien. Dafür spricht das Geständnis eines Sanatoriummitarbeiters schon nach etwa einem Drittel Sendezeit. Er hatte die Handfesseln einer Patientin gelöst, die Frau schlich aus dem Gebäude und stürzte in einer Schlucht in den Tod.

Kommissarin Landauer fährt zum Ermitteln extra von München aus in die oberbayerische Provinz, die ihr nur allzugut vertraut ist - sie wuchs hier auf. Doch die Vergangenheit holt sie viel heftiger ein: Schnell stellt sich heraus, dass die Tote die biologische Mutter der Polizistin ist. Nach Jahren nimmt Landauer wieder Kontakt zu ihrem Vater auf, und ihre Nachforschungen wirbeln das ganze Alpendorf auf.

Die Autoren Andreas Dirr und Christoph Busche vermengen Krimi mit Familienproblemen. Klaren Verstand mit Apathie und Wahnsinn. Scheinbar schöne heile Welt mit der Verschrobenheit, die zum Klischee abgeschiedener Bergdorfbewohner passt, die ihre ganz eigenen Lösungen für Probleme finden. Während das Tempo der Ermittlungen am Anfang des Films gut zur ruhigen Alpenatmosphäre passt, überschlagen sich am Ende die Ereignisse. Im Sanatorium fällt ein tödlicher Schuss.

Regisseur Christian Theede inszeniert das Ganze entsprechend im Kontrast zwischen sonnenlichtdurchflutetem Herbstlaub in Alpenidylle und den dunklen Katakomben unter der Friedhofskapelle, wo die bemalten Schädel der Toten aufgereiht sind und Kerzenlicht flackert. Das Abdriften in den möglichen Wahnsinn vor den steinernen, ewigen Monumenten der Alpen hat mich in dieser Kombination besonders gereizt, sagt Theede laut Presseheft. Manches wirkt aber plump umgesetzt: Ermittlerin Landauer stöbert in ihrer Vergangenheit - auf dem Dachboden. Auf dem Land spricht sie Dialekt. Und Vater Landauer verbrennt symbolträchtig Relikte von damals.

Thomass muss eine Kommissarin spielen, die mit vielen Widersprüchen kämpft: Ihre Kindheitserinnerungen sind auf einmal nicht viel mehr als verblasste Fotos in einem Album. Gleichzeitig wird sie von Halluzinationen heimgesucht und verliert das Bewusstsein.

Um das zu verstehen, hat Thomass nach eigenen Angaben mit einer Kinder- und Jugendpsychologin gesprochen, die sich auf Traumatherapie spezialisiert hat. Ermitteln darf die Polizistin wegen persönlicher Befangenheit nicht mehr, trotzdem schleicht Landauer durch die Klinik und befragt die Trinkgemeinschaft im örtlichen Gasthaus. Zudem muss die Polizistin ihrem Vater verklickern, dass sie eine Frau liebt.

Das ist vielleicht etwas viel auf einmal - ganz so wie die Auflösung aller Zusammenhänge des Falls. Die Erklärungen sind zwar plausibel, aber alles andere als Alltag. Oder wie Regisseur Theede sagt: Jede Familie hat dunkle Geheimnisse. Aber das, womit die Heldin in dieser Geschichte konfrontiert wird, geht so tief und ist so essenziell, dass es der Hauptfigur den Boden unter den Füßen wegzieht.

Die Tote aus der Schlucht