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TV-Tipp Eurovision-Ersatz-Contests

Deutschland muss sich 2020 seinen eigenen ESC basteln - der echte wurde ja abgesagt. Während die ARD die Ersatz-Show in die Hände von Barbara Schöneberger legt, vertraut ProSieben auf Stefan Raab - und lässt Spekulationen um eine Rückkehr des "Raabinators" freien Lauf.

Von Gregor Tholl und Jonas-Erik Schmidt, dpa 15.05.2020, 23:01

Hamburg/Köln (dpa) - Es gab eine Zeit, in der man Stefan Raab fast alles zugetraut hätte und diese Zeit hatte viel mit dem Eurovision Song Contest zu tun. Sie war ziemlich genau 2010.

Unter der Ägide des einstigen Metzger-Lehrlings gewann damals eine junge Frau namens Lena Meyer-Landrut den ESC - und rettete die Ehre der jahrelang chronisch gescheiterten Musiknation Deutschland. Für diesen Samstag (16. Mai) hat sich Raab wieder so eine Rettungsmission vorgenommen. Diesmal aber geht es nicht nur um ein Land - sondern gleich um den ganzen Wettbewerb. Und noch schwieriger: um das ESC-Gefühl.

Der Grund: Der Eurovision Song Contest, der an diesem Tag in Rotterdam stattfinden sollte, fällt wegen der Corona-Pandemie aus, was für alle ESC-Fans ein echter Jammer ist. Perlwein und Mettigel waren im Geiste ja schon kaltgestellt. Um den Schmerz zu lindern, nehmen am selben Tag sowohl der ESC-Sender ARD als auch ProSieben - initiiert von Raab - Ersatz ins Programm. Im Ersten wird in einem nationalen Finale ein "Sieger der Herzen" gekürt. ProSieben baut den Wettbewerb in alternativer Form nach, nennt ihn "Free European Song Contest" und spielt mit der Sehnsucht vieler Zuschauer, der echte Raab möge vor die Kamera zurückkehren. Zunächst zu den Fakten.

In der ARD-Show "Eurovision Song Contest 2020 - das deutsche Finale" (20.15 Uhr) treten zehn diesjährige ESC-Teilnehmer gegeneinander an. Drei davon werden sogar live - wenn auch vor leeren Rängen - in der Hamburger Elbphilharmonie auftreten: Ben & Tan (Dänemark), Daði Freyr og Gagnamagnið (Island) und The Roop (Litauen). Auch Ben Dolic, der - manch einer wird es nicht gewusst haben - für Deutschland ins Rennen gegangen wäre, singt sein Lied "Violent Thing". Deutschland selbst kann ihn aber nicht zum "deutschen Sieger der Herzen" wählen - das ist alte ESC-Regel. Barbara Schöneberger (46) moderiert die Show.

Im Anschluss (21.55 Uhr) zeigt das Erste dann die internationale Ersatz-Revue "Europe Shine a Light" aus dem niederländischen Hilversum, die der Florian-Silbereisen-Kollege und Klubbb3-Sänger Jan Smit mitmoderiert. Dabei werden die Künstler geehrt, denen Corona den ESC-Auftritt vermasselt hat. Ein Voting gibt es nicht.

Parallel buhlt ProSieben um die Gunst der ausgehungerten ESC-Fans. Dragqueen Conchita Wurst (31) und Steven Gätjen (47) präsentieren live aus Köln den "Free European Song Contest" (20.15 Uhr), den man aber auch Raab-Contest nennen könnte - der Name des "Raabinators", der sich 2015 vom Bildschirm zurückzog, schwebt über allem. Auch wenn er die Show zunächst mal nur produziert.

Beim "#FreeESC" gehen 15 Länder ins Rennen, vertreten von Künstlern, die einen Bezug zu der jeweiligen Nation haben. Für Italien ist das etwa die Sängerin Sarah Lombardi (27). Begründung hier: Ihre Mutter sei Italienerin. Für Kasachstan singt das Teenie-Idol Mike Singer (20), für Kroatien die Schlagersängerin Vanessa Mai (28). Die Türkei wird vom Rapper Eko Fresh zusammen mit seinem Kollegen Umut Timur vertreten, Bulgarien von der Sängerin Oonagh. Fast die Hälfte der Teilnehmer ist aber noch nicht bekannt.

Insbesondere gilt das für den deutschen Beitrag. Stefan Raab höchstpersönlich verkündete vielsagend, es werde sich um "eine echte Legende" handeln. Seither wird gerätselt, ob Raab damit sich selbst gemeint haben könnte - was ein Comeback wäre. ProSieben ist aus ersichtlichen Gründen nicht sonderlich bemüht, diese Spekulation einzufangen. Moderator Gätjen sagt etwa: "Alles kann, nichts muss. Und wir kennen Stefan, wir wissen, er ist für Überraschungen gut."

Am Ende soll - ganz klassisch - quer durch Europa geschaltet, um die Punkte einzusammeln. In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden diese per Zuschauervoting vergeben. In den anderen Ländern vergibt eine Art Jury die Wertung.

Die Idee kam nach Angaben von ProSieben direkt von Raab. Er habe einfach angerufen. "König Lustig" nimmt die Sache nach eigenem Bekunden sehr ernst: "Wenn es als einzige Lösung einer Krise erscheint aufzugeben, dann ist der beste Zeitpunkt für die Geburtsstunde von etwas Neuem." Das klingt groß. ProSieben hat schon angekündigt, dass der Sender den "#FreeESC" "nicht nur in diesem Jahr" machen will.

"Stefan sprüht vor Ideen und wir alle wissen, dass er einen ausgezeichneten Musikgeschmack hat und weiß, wie man gutes Fernsehen macht", sagt Conchita Wurst, die den ESC 2014 selbst gewann. "Außerdem ist er ESC-Spezialist, deshalb war es ja ganz naheliegend, dass er eine Show auf die Beine stellt, als bekannt wurde, dass es dieses Jahr keinen ESC geben würde." Oder kurz: "Wer, wenn nicht er?"

Matthias Balk
Matthias Balk
dpa