TV-Tipp Fremder Feind

Lehrer, Alt-68er, Pazifist: Dass sein Sohn zum Militär und dann auch noch in einen Auslandseinsatz geht, kann Arnold Stein nicht wirklich verstehen. Als der Junge fällt, zerbricht Steins Familie. Der Alte zieht sich zurück in die Berge - und beginnt seinen eigenen Kampf.

Von Marco Krefting, dpa 20.02.2018, 23:01

Berlin (dpa) - Gerade in der Einsamkeit entdeckt man manchmal Seiten an sich, die man bis dato nicht kannte. So ergeht es auch Arnold Stein. Der Alt-68er und Pazifist hält plötzlich ein Gewehr in der Hand, legt Patronen ein, repetiert. Und schießt immer wieder auf einen Unbekannten.

Im Nirgendwo der verschneiten, österreichischen Alpen hallt das Echo der Schüsse lange nach. Das Erste zeigt "Fremder Feind" am Mittwoch (21. Februar) um 20.15 Uhr. Es ist die Verfilmung von Jochen Rauschs Roman "Krieg". In der Hauptrolle überzeugt Ulrich Matthes.

Arnold Stein hadert sehr mit der Entscheidung seines Sohnes, der nicht nur zum Militär geht, sondern sich auch für einen Auslandeinsatz verpflichtet. "Was hat dein Leben mit irgendeinem Stück Wüste zu tun, in das sie dich da schicken?", fragt der Vater. Anders als seine Frau Karen (Barbara Auer) redet er sich aber ein, dass alles gut werden wird und hält via Mail Kontakt zum Sohn. Die Mutter hingegen ertränkt ihre Sorgen in Alkohol. Als die Nachricht kommt, dass der Soldat gefallen ist, zerbricht die Familie daran. Stein kauft sich eine verlassene Hütte in den österreichischen Alpen und zieht sich zurück.

Doch dort bekommt er es mit einem Unbekannten zu tun, der immer wieder in und an der Hütte wütet, Inventar zerstört, Skulpturen im Garten umwirft und mit einem Bolzenschussgerät auf Steins Hund schießt. Anders als von einem Pazifisten zu erwarten, reagiert der auf die Gewalt mit Gegengewalt. Irgendwann steht er vor einem verlassenen Zelt, das er als Unterkunft des Fremden vermutet. "Der Stärkere besiegt den Schwächeren. So ist das im Krieg", schreit er. Und zündet das Lager an. Es folgt ein Brandanschlag auf eine Hütte, die dem Unbekannten Unterschlupf geworden ist. Stein riskiert dabei den Tod des Fremden. Das Duell gipfelt in einem Schusswechsel.

Gewissermaßen entdeckt Stein so auch einen weiteren Unbekannten - in sich selbst. "Das Buch lässt das auf eine, wie ich finde, interessante Art und Weise offen", sagt Ulrich Matthes (58), "ob das wie eine kathartische Maßnahme für sich selber ist, um die Gewalt dadurch loszuwerden, oder ob in ihm durch die Gewalt, die seinem Sohn angetan wurde, ein schlummerndes Gewaltpotenzial abgerufen wurde." Dem Zuschauer bleibe überlassen, wie er damit umgeht. "Ich glaube, wir alle haben dunklere Seiten in uns, die in unserer Gesellschaft sanktioniert sind und auch durch unser Gewissen und unsere Erziehung nicht nach oben kommen, aber sie lauert in uns, die dunkle Seite. Definitiv."

Hannah Hollinger hat das Drehbuch so angelegt, dass Steins Geschichte erst nach und nach erzählt wird. Die Szenen in den Bergen werden im Wechsel mit jenen aus vergangenen Tagen mit der Familie gezeigt. Dem Zuschauer wird das Schicksal der Eheleute so nur Stück für Stück klar: Wie sie mit belanglosem Gequatsche über Soßen die Sorge um den Sohn im Kriegseinsatz umgehen wollen. Wie die Frau abrupt den Tisch verlässt, um eine Freundin zu treffen. Wie sie lieber alleine Gassigehen will als in Begleitung ihres Mannes. Wie er die von ihr versteckten, leeren Rotweinflaschen im Schuppen findet.

Matthes spielt den in mehrfacher Hinsicht verzweifelten Vater sehr eindrücklich. Den Grundkonflikt beschreibt Drehbuchautorin Hollinger als "wie sich der Krieg vom Inneren ins Außen und umgekehrt vom Außen ins Innere widerspiegelt". Gerade in der Einsamkeit der Berge - von Regisseur Rick Ostermann mal als idyllisches Alpenpanorama inszeniert, mal als Einöde im zermürbenden Schneegestöber - sind es oft nicht die Worte, mit denen Matthes seiner Figur Ausdruck verleiht. Da reicht allein sein Minenspiel.

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